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Modell-Kommunikation oder der „Pudelwohlfühl-Faktor”

In diesem Beitrag möchte ich euch an meinen Gedanken teilhaben lasse, welchen Stellenwert die Kommunikation mit den Menschen vor der Kamera für mich und meine Bildsprache hat. Welche Elemente ich dazu einsetze, die „Dos and Don’ts“ für stimmungsvolle Bilder und wie unser unbedachtes Verhalten dazu führen kann, dass die Stimmung kippt.

Ich möchte mit meinen Bildern berühren, zum Nachdenken anregen und Empathie im Herzen auslösen. Das Beherrschen der Kamera ist für mich bestenfalls der erste Schritt dazu, von vielen. Wenn ich als Fotograf Bilder mit „Seele“ entstehen lassen möchte, muss sich der Mensch vor der Kamera pudelwohl fühlen, um sich zu öffnen. Stimmung schlägt Perfektion. Um dies zu erreichen, schlage ich dem Bildergebnis 85% der Stimmung am Set zu. Dazu gehört für mich alles was, im Umgang, sprich der Kommunikation, aber auch meiner persönlichen Haltung zu dem Menschen vor der Kamera, den „Pudelwohlfühl-Faktor“ unterstützt. Was wir auf einem Bild sehen ist, was zum Zeitpunkt des Auslösens zwischen zwei Menschen auf der Beziehungseben abläuft. Wenn da etwas nicht passt, lässt sich dies durch keine Nachbearbeitung der Welt reparieren. Höchstens durch laute Looks überspielen, was aber oft nicht zu besseren Ergebnissen führt.

Auch wenn ich mich mit dem Begriff Modell, im Zusammenhang mit den Menschen die sich mir anvertrauen, schwertue werde ich ihn hier der Einfachheit halber in der weiblichen Form verwenden. Der Begriff Modell passt einfach nicht zu der Art, wie meine Bilder entstehen. Nicht zu der Stimmung aus Empathie und Vertrauen, ohne die es diese authentischen Augenblicke nicht geben würde. Modell suggeriert Modellbusiness. Es geht um einen Job. Dies ist weit entfernt von meiner Art zu arbeiten. Dazu gehört auch mein Credo „Augenhöhe“. Wie erfahren oder unerfahren jemand ist, spielt in dem Augenblick in dem ich mich für eine Zusammenarbeit entscheide, keine Rolle. Man trifft sich auf Augenhöhe, um etwas Gemeinsames entstehen zu lassen.

Diese Bildstrecke mit Anita ist aktuell aus diesem Monat. Da Anita hier das erste Mal “so richtig” vor der Kamera steht, denke ich passen die Bilder gut zu diesem Thema.

Kommunikation vs. Vertrauen

In der Kommunikation geht es immer auch um Vertrauen. Was ist überhaupt Vertrauen? Vertrauen ist das unbestimmte Gefühl das ich sicher und geborgen bin, dass mir nichts Schlimmes passieren wird! Ziel ist es, etwas vereinfacht ausgedrückt, dass das Modell sich in jeder Sekunde gut fühlt und weiß, dass sie nicht das Problem ist. Um es etwas greifbarer zu machen ein kleines Beispiel, wie wir ganz unbemerkt diesen zarten Faden zerreißen: Der eine oder andere von euch kennt vielleicht die Situation in der man grade versucht ein unerklärbares Problem mit der Kamera zu lösen. Wir bemerken vielleicht nicht, dass uns die Einstellung auf Auto-ISO vom letzten Shoot dazwischenfunkt oder wir sind mit der Lichtsetzung unzufrieden (place any). Und wir in diesem nach innen gekehrtem Zustand, überhaupt nicht realisieren, dass der Mensch vor der Kamera immer unsicherer wird. Es gibt ja kein Grund über das technische Dilemma zu sprechen, sie sieht ja das ICH ein Problem habe. NEIN! Genau hier liegt des Pudels Kern. Alles was sie sieht ist ein Fotograf, der unzufrieden ist. Sie wird das Kommunikationsvakuum aber im Zweifel füllen mit „Er ist unzufrieden mit mir und er so unzufrieden, dass er nicht einmal Bilder zeigt.“ Ein ähnliches Vakuum erzeugen wir, wenn wir kommentarlos Bilder machen, keine Ergebnisse zeigen oder kein Feedback geben. Ihr lasst sie in diesen Augenblicken im Regen stehen. Das Verhalten ist übrigens grade bei den stilleren Kollegen verbreitet, die eher ökonomisch mit Sprache umgehen. Nichts gesagt ist genug gelobt! Ihr sollt dann auch nicht zum Entertainer werden. Die Lösung ist schlicht zu sprechen, über den Status zu informieren. Dies in eurer ganz individuellen Art. Ich sage dann meist etwas in der Art: „Ich kämpfe grade mit meiner Technik und mache Nerd-Talk mit meiner Cam.“ Die Reaktion ist dann meist immer die Gleiche, sie ist erleichtert, lacht vielleicht auch.

Warum neigen Frauen im Zweifel zu dem Gedanken nicht zu genügen? Ein Grund dafür ist sicherlich die Sozialisierung von Frauen. Frauen bekommen von Kindheit an über die Medien ein unerreichbares und vor allem unreales Schönheitsideal gezeigt, mit dem sie sich bewusst oder unbewusst tagtäglich vergleichen. Unterschwellig etabliert sich zwangsläufig die Überzeugung vielleicht nicht zu genügen. Was heißt dies konkret in der Kommunikation? Jedes Signal von Fotografenseite, das Interpretationsspielraum in diese Richtung lässt, wird ggf. falsch gedeutet. Das beginnt mit „Nicht sprechen“, über den skeptischen Blick auf dem Kameradisplay oder einer unbedachten Wortwahl. Die gute Nachricht! Wenn ihr euch dahingehend sensibilisiert, werdet ihr immer öfters bemerken, wann bzw. wie ihr dies auslöst und ihr könnt zeitnah reagieren und es für das Modell auflösen. Sprecht es einfach laut aus, woran ihr grade hängt. Ihr werdet überrascht sein. Sobald ihr es aussprecht, wird sie beruhigt sein und etwas in der Richtung sagen wie: „Ah, alles gut!“

Authentizität in der Bildsprache kommt auch von selbst authentisch zu sein

Seid immer Authentisch. Wenn ihr es nicht seid, wie wollt ihr es von eurem Gegenüber erwarten. Versucht nicht jemand anders zu sein oder Dinge zu überspielen. Es wird immer auffallen, zu Mistrauen führen und falsch gedeutet werden. Wenn ihr zum Beispiel ein Set komplett verhauen habt, überspielt es nicht. Sie wird eure Unzufriedenheit spüren, es aber auf sich beziehen. Ich spreche da übrigens aus eigener Erfahrung! Viele der Hinweise in meinen Beiträgen und Coachings gebe ich in dem vollen Bewusstsein, dass ich diese Fehler selbst ALLE schon gemacht habe. Ich hatte in den Anfängen z. B. Skrupel zu offenbaren, dass ich in der Euphorie, ein komplettes Set verhauen habe. Man will ja nicht als Anfänger dastehen und ihr unnütz die Zeit stehen. Schlau wie ich war hatte ich es dann überspielt mit: „Ich, probiere noch mal eine bessere Einstellung.“ Ich hätte es besser wissen sollen. Natürlich hatte sie meine Unzufriedenheit bemerkt und dass ich ihr keines der Bilder gezeigt habe, die ich mir kurz zuvor auf dem Display angeschaut habe, hat es noch verstärkt. Man kann nicht „NICHT kommunizieren“! Wenn ihr hingegen offen sagt: „Sorry, das Set habe ich grade total verhauen, wir müssen da noch mal ran.“ wird sie erst einmal beruhigt sein und entspannen, da sie nicht das Problem ist. Zum anderen macht es euch sympathisch, weil sterblich und nahbar! Denkt einmal an eure Vorgesetzten. Für welche wärt ihr eher durchs Feuer gegangen: Die „perfekten“ ich mache keine Fehler-Typen oder die, die mit ihren Fehlern offen umgehen konnten und es auf ihre Kappe genommen haben? Na? Wie gesagt: es geht immer auch um Vertrauen!

Modell-Kommunikation beginnt beim allerersten Kontakt

Die Kommunikation beginnt übrigens bereits beim (An-)Schreiben. Gebt so viele Informationen zu Idee, Stimmung, Ort und auch Euch Selbst preis, dass das Modell euch einschätzen kann. Einschätzen kann, was für ein Typ ihr seid und sich bildhaft vorstellen kann, wie der Tag, das Shooting verläuft und welche Art von Bildern entstehen werden. Dies gilt besonders, wenn ihr noch kein aussagefähiges Portfolio habt, das konsistent ist. Wenn ihr dies nicht beherzigt kann das Modell die Situation nicht einschätzen, es bleiben offene Fragen. Der Gedanke, sie kann ja nachfragen wird euch nicht helfen. Bei dem heutigen Overflow auf Social Media führen fehlende Infos meist zum Haltepunkt. Sie wird sich nicht melden. Dies hat meist nichts mit charakterlichen Eigenschaften des Modells zu tun, sondern schlicht mit den heutigen Anforderungen und dem Zeitgeist der jüngeren Generation. Die Kommunikation ist unterbrochen. Gedanken, wie: „Ja, wenn die Kommunikation schon beim schreiben stockt, wird es eh nichts…“ sind da oft fehl am Platz, da ihr selbst Teil der missglückten Kommunikation seid. Bevor ich da in eine „Huhn- und Ei-Denke“ rutsche, gilt für mich: „Recht haben wollen, oder glücklich sein.“ Ich entscheide mich in den meisten Fällen für letzteres und hake mit zusätzlichen Informationen nach. Hierbei ist es hilfreich, wenn ihr auf allen Kanälen konsistent und bestenfalls mit Klarnamen auftretet, euer Portfolio der Anfrage entspricht und euer Instagram-Profil auf sichtbar geschaltet ist. Wenn ich vertrauen erwarte muss ich transparent und als Mensch greifbar, einschätzbar sein. Jedes Fehlsignal würde wieder zu Misstrauen führen und die Kommunikation unterbrechen. Nicknamen wie, aktdieter66 oder lichtfänger66 sind da eher schwierig.

Sprecht die Aufnahmebereiche vorher so genau wie möglich ab. Grade wenn ihr auch in Unterwäsche oder Aktbereichen shootet. Bestenfalls mit Beispielbildern. Es geht wieder um Vertrauen. Sie weiß schon vorher, was für Bilder entstehen werden. Gleiches gilt natürlich für die Abstimmung, welche Art von Bildern in welcher Form veröffentlicht werden. Eine Abstimmung wie: „Von Porträt bis Akt, alles kann, nichts muss. Wir schauen dann einfach beim Shoot.“ ist meines Erachtens nach so ziemlich die schlechteste Art und Weise der Abstimmung. Jeder liest, was er lesen möchte und die Hoffnung stirbt zuletzt. Etwas überzeichnet: Der Fotograf hofft darauf seine Bildideen im Aktbereich umzusetzen das Modell möchte eigentlich nur Fashionbilder. Beide Seiten werden enttäuscht sein! Und es bleibt ein ungutes Gefühl beim Modell. Im Vorfeld, bei der Anfahrt und während des Shoots dazu, wie denn die Erwartungen des Fotografen tatsächlich sind. Und dieses ungute Gefühl werden wir dann auch auf den entstandenen Bildern sehen. Ich erinnere: Vertrauen ist das unbestimmte Gefühl das ich sicher und geborgen bin, dass mir nichts Schlimmes (ungewolltes) passieren kann!

Die Macht der Voice Massage. Wenn ich auf Social Media jemanden entdecke, die zu meinen Bildern passt, schreibe ich mit den Eckwerten zu meiner Idee an. Kommt ein Kontakt zustande sende ich meist als nächstes weitere Infos per Voice Massage. „Wie ich dann deine sympathische Stimme gehört habe, dachte ich: Alles gut.“

Warming-up

Auch wenn ihr gefühlt unter Zeitdruck steht, nehmt euch ausreichend Zeit für das gegenseitige Kennenlernen. Gebt dem Modell die Möglichkeit anzukommen, sich zu orientieren um ganz bei sich zu sein. „Ich schnacke immer erst zwei Stunden mit dem Modell bevor ich zur Kamera greife.“ ist für mich allerdings nicht der richtige Ansatz. Dies wäre mir zu methodisch und dogmatisch! Es setzt voraus, dass alle Menschen gleich sind. Für mich ist es wichtig zu spüren, was ich und sie als Warming-up brauchen. Es gibt Menschen, da spüre ich sie brauchen Zeit und wir plaudern dann tatsächlich eine Stunde oder mehr. Andere sind vielleicht eher zielorientiert und ungeduldig mit sich und entspannen erst, wenn das Shooting startet um einzuschätzen wie es sich anfühlt und wie die Ergebnisse ausschauen! Jeder ist anders.

Ich nutze für das Warming-up gerne auch die Klamottenauswahl. Es ist eine ungezwungene Situation, da man an etwas Gemeinsamen arbeitet. Sie kann mich auch einmal in Ruhe beobachten, während ich grade verzweifelt versuche aus 30 Teilen einige wenige aber passende Kombinationen zusammen zu stellen um den Überblick zu behalten. Und es gibt die ersten gemeinsamen Geschichten, während wir über das eine oder andere Kleidungsstück lachen. Haben ist bekanntlich besser als brauchen.

Modell-Führung

Die Modell-Kommunikation beinhaltet immer auch die Führung und Unterstützung, soweit notwendig, während des gesamten Shoots. Wenn es um die Modell-Führung geht, arbeite ich immer mit Stimmungen und führe über Gesten anstelle von sachlichen Anweisungen. Warum betone ich dies? „Schau mal nach links.“ Von wem ausgesehen? „Geh mal einen halben Meter vor.“ (place any). Es sind alles skalierende Sachinformationen, die sie aus dem Fühlen herausreist, weil ihr sie auf die Sachebene zieht um eine „Aufgabe“ zu lösen. Wenn ich sie in eine Richtung orientieren möchte, deute ich es mit einer entsprechenden Handbewegung oder Geste durch den Raum an, der sie intuitiv folgen kann. Ich arbeite auch gerne mit Bildern begleitet mit einer Handbewegung, wie: „Bleib in dieser Pose und dreh, als wenn ich dich auf einen Teller stehend in diese Richtung drehen würde.“ Oder ich lasse ihren Blick meiner Handbewegung folgen, bis die Blickrichtung für mich stimmig ist. Schau mal in Richtung Wand könnte problematisch werden. Besser schau einmal auf das Bild an der Wand oder diesen Baum da unten (durchs Fenster) auf der Wiese. Wenn ihr die Blickrichtung orientiert, sucht etwas was sie fokussieren kann, damit der Blick nicht ins Leere geht.

Kamera-Display Feedback

Zeigt regelmäßig Bilder der einzelnen Settings. Es ist für das Modell sehr wichtig zu sehen, wie sie auf den Bildern wirkt um entspannt weiter zu shooten, oder etwas zu korrigieren. Umso sicherer geht sie für sich in das nächste Set. Übrigens tut ihr euch dabei einen ebenso großen Gefallen. Zeigt bei jedem neuen Setting das Einstellbild. Hier seid ihr nicht unter Ablieferdruck. Sie wird euch aber genau sagen, was nicht passt oder automatisch ihre Pose korrigieren. Ein Klassiker: „Du Boris, soll das mit dem Haargummi am Handgelenk so?“ während sie es bereits abstreift und gleichzeitig eine Strähne, die mir gar nicht aufgefallen ist, aus dem Gesicht wischt. Das funktioniert auch, wenn ihr eine Pose unvorteilhaft findet. Zeigt einfach das Bild ohne Bewertung!!: „Was meinst du?“ Frauen haben ein natürliches Empfinden für Ästhetik, besonders wenn es um den eigenen Körper geht und werden es in den meisten Fällen automatisch korrigieren. Da wird bereits schon, während sie das Bild betrachten, das Bein umgesetzt und es passt. Ihr werdet es per sachlicher Anweisung nie stimmig korrigieren können. Wenn dann die Handhaltung euren Vorstellungen entspricht, passt wahrscheinlich der Rest nicht mehr. Überlasst es dem Körpergefühl des Modells, gebt ihr Zeit sich stimmig einzugrooven und holt euch dann eure Bilder ab. Wenn etwas partout nicht so klappt, wie ihr es im Kopf habt, lasst los und geht in das nächste Setting.

Die Unsicherheit des ersten Settings

Grad der Start, beim aufeinander Eingrooven, ist mit anfänglicher Unsicherheit auf beiden Seiten verbunden. Wenn notwendig, versuche ich sie beim Einstieg in das erste Setting sicher zu begleiten. Ich stelle mich zu Beginn meist auf die Position, auf der ich sie gerne hätte und lade sie dann ein mich abzulösen. Wenn ihr noch beim „Lichteinstellen“ seid, signalisiert es ihr. Ich sage dann meist: „Ich mache erst einmal Nerd-Talk mit meiner Kamera, du brauchst noch nichts zu machen.“ Es macht keinen Sinn sie bereits mit voller Energie in den Shoot gehen zu lassen, wenn ihr noch gar nicht wisst ob ihr von der Lichtsetzung her überhaupt an der Position starten würdet. Wenn sie noch unsicher ist wissen ihre Hände meist nicht wo sie hinsollen. Dies erkennt ihr daran, dass sie ein wenig hilflos mit beiden Händen parallel auf und ab sucht. Das ist der Punkt, wo ihr unterstützen müsst. Ziel ist es, dass sie eine lässige Pose findet mit der sie sich wohl fühlt, vielleicht auch typisch für sie ist, wenn sie bei einer Freundin in der Küche stehen würde. Beispielsweise eine Hand lässig in die Hüfte. Sobald eine Hand für sie stimmig ist, greift das Körpergefühl und die zweite Hand ist vergessen. Übrigens ist es mir egal, ob ich die Pose mag oder nicht. Es geht um einen entspannten Einstieg und Selbstvertrauen beim „Posing“.

Nicht-Posing

Wenn ich übrigens den Begriff Posing verwende, bezieht es sich lediglich auf die natürliche Körperhaltung, Blick usw. Nicht gemeint ist, dass mechanische abspulen einstudierter Posen. Das sind Prozesse, die ich dann unterbreche, weil sie meist off-topic, knapp an authentisch vorbei gehen. Ich sage immer: “Macht oder erzwingt nichts für die Kamera.” Dies mag für andere Genres sicherlich gut funktionieren, für meine Bildsprache ist es kontraproduktiv. Dazu gehört auch, dass ich nicht von jedem Modell die gleiche gestreckte Lieblingspose an der Wand erzwinge. Der Standardspruch: “Wenn es weh tut wird es gut.” gilt nicht für jedes Genre!

Ich arbeite von einem „Startpunkt“ oft im Flow mit natürlichen Bewegungsabläufen, die einer Funktion folgen. Also Sinn machen und dadurch stimmig wirken. Ein einfaches Beispiel: „Halte die Hände mal an deine geöffnete Bluse“ führt eher zu verunglückten Posen, die oft nicht stimmig sind. Anders wäre: „Knöpfe bitte einmal deine Bluse auf und schau dabei auch auf deine Hände, so wie du es normalerweise auch machen würdest, wenn keine Kamera da ist. Ihre Bewegung folgt einer Funktion und wird darüber automatisch stimmig, ohne dass sie sich Gedanken über „Posing“ machen muss. Oder: „Halte den Becher in den Händen oder am Mund.“ wird zu anderen Bildergebnissen führen, als: „Halte den Becher als wolltest du die die Hände daran wärmen.“ oder „Trinke einen Schluck aus dem Becher, während du aus dem Fenster schaust.“

Ich arbeite auch gerne mit Moodbildern, hauptsächlich um die gewünschte Stimmung zu transportieren. Aber auch um ihr den intuitiven Einstieg in ein Setting zu erleichtern. Bilder sagen mehr wie tausend Worte. Es geht mir aber nicht um das genaue Nachstellen dieses Bildes. Nach dem Einstieg in eine bestimmte Pose lasse ich sie diese im Flow weiterentwickeln! Ziel ist es ihr, soweit notwendig, einen guten Einstieg zu ermöglichen! Läuft! Übrigens gehört auch das Auslösegeräusch zur Kommunikation. Bei einer lautlosen Auslösung fehlt dem Modell das Signal, dass es weitergeht. Es ist wie der Takt beim gemeinsamen Tanz. Auch wenn ihr denkt: „Es läuft doch.“, sie wird unsicher werden, da auch hier die Kommunikation unterbrochen ist. Auf den „coolen“ Schärfe-Piepton dagegen solltet ihr verzichten, er lenkt nicht nur ab sondern hat auch keinen Mehrwert. Stellt eure Cam einfach auf Schärfepriorität und gut.

Authentizität vs. Stimmung

Es geht mir immer auch um Authentizität, um Stimmigkeit. Dies betrifft sowohl die Körperhaltung, Blick aber auch die gewünschte Stimmung während eines Settings. Damit etwas vom Bildbetrachter als stimmig und nicht aufgesetzt wahrgenommen wird, muss das Modell diese Stimmung aber auch fühlen und nachspüren können. Alles was sie hindert in die gewünschte Stimmung hinein zu gehen oder sie aus dieser herausreist ist kontraproduktiv. Wenn ich innerhalb eines Settings sehr ruhige, melancholische bis traurige Bilder haben möchte, dann sage ich nicht: „Guck mal nachdenklich oder melancholisch oder traurig.“ das ist eine Anweisung die das Modell wieder auf die Sachebene zieht, sie wird versuchen es wie eine Rechenaufgabe richtig umzusetzen. Aber sie wird es deswegen nicht fühlen. Es wird dann im Ergebnis immer aufgesetzt und knapp an stimmig vorbei gehen. Was bedeutet dies für die Umsetzung? Arbeitet auch hier mit Stimmungen und Emotionen, nicht mit rationalen Anweisungen.

Um uns in die gewünschte Stimmung zu bringen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Ich kann sie einladen an etwas Schönes oder Trauriges aus ihrer Wirklichkeit zu denken. Gleichzeitig passt sich auch meine Stimmlage an, ich spreche ruhiger, leiser so wie ich es fühle oder fühlen möchte und ich nutze immer auch die Macht der Musik. Es gibt kein Shoot ohne Musik. Außer wir shooten Outdoor und die Distanz, das Meeresrauschen (place any) lassen es nicht zu. Wer einmal ein Stück von Ludovico Einaudi gehört hat, weiß was ich meine. Ich habe eine eigene Playlist. Bei einem Shoot spielte ein Klavierstück von Ludovico Einaudi. Ich hatte es da tatsächlich überhaupt nicht wahrgenommen. Aber beim gemeinsamen Betrachten der Bilder auf dem Kameradisplay ist uns gleich aufgefallen, wie ihr Ausdruck plötzlich von einer Traurigkeit beseelt war. Die Macht der Musik. Deswegen ist es auch nicht immer die beste Lösung sie, ihre Lieblingsmusik hören zu lassen. Ich habe herausgefunden, dass z. B. Heavy Metal nicht immer zur gewünschten Stimmung passt.

Barriere Technik

Ein Grund, warum ich ausschließlich mit natürlichem Licht, ohne Aufheller und anderem Technik-Equipment arbeite ist, dass ich zwischen mir und dem Menschen vor der Kamera einen natürlichen Kontakt aufbauen und aufrecht halten möchte. Alles was als Barriere dazwischensteht und um das ich mich nebenher noch geschäftig kümmern muss, ist für meine Bildsprache und meine Art des Fotografierens im Flow und in der Bewegung einfach störend und kontraproduktiv. Ich wurde in einem Livestream einmal gefragt, ob ich auch mit Kunstlicht arbeiten würde, wenn es sich genauso wie Tageslicht verhält. Dazu muss erwähnt werden, dass ich für meine Bildsprache und das Storytelling gerne eine möblierte On-Location oder interessante Outdoor-Location mit all seinen Facetten und Tiefen nutze. Auch wenn es im Hintergrund nur eine andeutungsweise Orientierung bietet. Das Leben passiert in meinen Bildern nicht vor einem weißen Studiohintergrund. Sprich: Diese Hypothetische Frage blendet aus, dass ich mehrdimensional in alle Richtungen arbeite und dies dann auch in der gemeinsamen Bewegung, im Flow mit dem Modell. Egal wie diese Lichtquelle ausschauenden würde, sie wäre mir immer im Weg und spätestens beim Schwenk zu Gegenlichtaufnahmen auch im Bild.

Störungen gehen vor

Ein shoot ist von der ersten bis zur letzten Sekunde ein fließender Kommunikationsprozess. Ich shoote im Flow, bestenfalls in der gewünschten Stimmung. Es ist wie ein gemeinsamer Tanz, der uns die Kamera vergessen lässt und bestenfalls einfach nur aus Spaß an der gemeinsamen Arbeit und an wundervollen Bildern besteht. Wenn dies das Ziel ist, heißt es für die Kommunikation: Alles zu tun, was dies unterstützt und alles zu vermeiden was dies blockiert bzw. sofort damit aufzuhören, sobald ihr es bemerkt.

Störungen gehen vor: Wenn ihr eine Störung wahrnehmt, sprecht es an und löst es auf. Die schlechteste Lösung ist es zu überspielen und mehr desselben zu machen. Ich hatte in einem Shoot, ich glaube beim dritten Outfitwechsel das Gefühl, dass das Modell unsicher ist. Meine Auflösende Frage dazu war (mit ehrlichem Wohlwollen formuliert): „Kann es sein, dass du dich mit dem Outfit nicht wohl fühlst?“ Ihre Reaktion darauf war dann auch erleichtert: „Obwohl man weniger sieht, fühle ich mich damit irgendwie zu nackt, ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll.“ Ich dazu: „Brauchst du gar nicht, alles gut! Wir nehmen einfach das nächste Outfit.“

Wenn ihr merkt, dass sie verkrampft, vielleicht der Blick angestrengt wirkt holt sie mit einem kurzen Break wieder raus um locker zu werden. Lasst sie nichts für die Kamera machen. Genauso, wenn ihr merkt, dass ihr euch grade an einer Idee festbeißt, diese aber nicht zufriedenstellend umgesetzt bekommt. Macht auch da einen Break und geht an ein neues Setting. Alles andere führt zu Demotivation und Spannungen. Und letztlich zu „schlechten“ Bildergebnissen. Macht auch regelmäßig Pausen. Ich kenne es aus eigener Erfahrung, wenn ich einmal an einer Idee dran bin finde ich kein Ende. Ich bin dann einfach so Begeistert, dass ich mehr desselben mache. Oder ich merke, dass mir die Ideen ausgehen und ich grade leerlaufe. Wie auch immer, es sind alles gute Anlässe für einen Break damit wir uns wieder sammeln können, um dann mit frischer Motivation in das nächste Setting einzusteigen. Ich nutze die Pause dann auch um zu schauen ob mir eine geplante Idee abhandengekommen ist.

Follow-up abzustimmen

Genauso wichtig ist es, das Follow-up abzustimmen: „Wie geht es nach dem Shoot weiter? Was passiert mit den Bildern nach dem sie aus der Tür raus ist?“ Ich mache nach dem Shoot immer eine sorgfältige Vorauswahl, aus der sowohl Modell als auch ich unsere Favoriten auswählen, siehe auch Bildauswahl. Das heißt, wenn sie sich in den Zug setzt, weiß sie genau, dass sie alle Bilder die für eine Veröffentlichung in Frage kommen, vorab zu sehen bekommt und ggf. auch ein Veto einlegen kann. Sie behält die Kontrolle und das gute Gefühl. Ist dies nicht geklärt oder kommuniziert, wird sie sich vielleicht bereits auf der Rückfahrt fragen: „Hat er vielleicht schon ein „unvorteilhaftes“ Bild aus dem Shoot gepostet?“ Wenn ich vorab etwas posten möchte, zeige ich es ihr einfach vorher und frage.

Die Punkte hier sind u. a. auch ein Teil der Inhalte, die ich in meinen Coachings und Workshops vermittle. Ich hoffe ich habe euch meine Sicht vermittelt und ihr könnt die eine oder andere Anregung für euer nächstes Shooting mitnehmen.

Ich wünsche euch eine gute Zeit

Euer Boris

Industriefenster-Hack

Wer mich und meine Arbeiten kennt weiß, dass ich mit Wonne meine möblierte On-Location mit alle seinen Facetten ausreize. Böse Zungen behaupten ja, ich bin einfach zu faul um aus dem Haus zu gehen. Tatsächlich reizt es mich mit derselben Location durch „einfache“ Kniffe unterschiedlichste Bildstimmungen und Assoziationen zu transportieren. Da mich die Stimmung urbaner Industrie-Locations sehr reizt, habe ich meine kleine Bibliothek diesmal mit einem Hack in ein Industrieloft verwandelt.

Die Zutaten für diese Bildstrecke mit Saskia: Ein Bilderrahmen (60x80cm), T-Profile, Plexiglasscheiben, Fensterkitt, Farbe, Industriekleber und Standbeine zum Rollen.

Hier gibt es einen kleinen Blick in die Werkstatt

Die Scheiben wurden einzeln mit echtem Fensterkitt eingesetzt und vor dem endgültigen Aushärten gestrichen (Altweiß), damit die Farbe beim Rücklauf an einigen Stellen aufplatzt. Das Finish für den Rost und Witterungseindruck erfolgte mit brauner Lasur (braune Farbe mit Verdünner gestreckt). Als Ständer dienen die Rollgestelle eines alten Flipcharts, dass ich noch auf dem Dachboden rumstehen hatte.

 

Weiter geht es mit der bezaubernden Saskia

 

Tage am Meer

Ich möchte euch gerne eine Bildstrecke mit Mayté zeigen, die auf der Shootingtour 2021 nach SPO entstanden ist. Weitere Strecken von ihr finden sich auch in Ausgabe 10 meines FineArt-Magazins „BORIS BETHGE“. Ich arbeite sehr gerne mit Newcomern und Newfaces. Ich weiß es aber auch sehr zu schätzen, wenn aus einem Erstshoot eine dauerhafte Zusammenarbeit entsteht und man gemeinsam so aufeinander eingestimmt ist um immer wieder neue Facetten herausarbeiten zu können, oder auch mit neuen Ideen zu experimentieren. Auch Mayté hat da einen festen Platz in meinem Fotografenherz. Kennengelernt haben wir uns 2017 zu einem Shoot bei mir in Ritterhude, zu dem sie eigens aus Berlin angereist ist. Ich habe für diesen Shoot ein Set mit einer großen Wasserwanne nebst verlegter Wasserleitung in meine Bibliothek aufgebaut, um ein surreales Bild aus Traum und Wirklichkeit zu gestalten. Dazu gibt es auch einen kleinen Blog-Beitrag siehe HIER Mittlerweile haben wir unzählige Shoots umgesetzt, waren zusammen auf Tour nach RØme, Lissabon und grad erst SPO. Ihr Kommentar zu den aktuellen Bildstrecken:  Danke für die letzten 5 Jahre […] und jedes Mal überraschen mich die Ergebnisse aufs Neue.

Warum ich einen großen Teil meiner Zeit in die Bildauswahl investiere

Es gibt mindestens zwei Chancen für ein „gutes“ Bild. Ein „gutes“ Bild während des Shoots einzufangen wäre die Grundvoraussetzung, aber es dann auch bei der Bildauswahl im Vergleich zu weniger guten Bildern zu erkennen und auszuwählen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Ich werde euch hier zeigen wie ich meine Bildauswahl mache und welche Aspekte mir da besonders wichtig sind. Auf die Frage: „Was ist ein gutes Bild?“ werde ich Ende mit meinen ganz persönlichen Gedanken eingehen.

Wer von euch wählt freiwillig das zweitbeste Steak?

Bildauswahl ist immer noch ein stark unterbewertetes Thema und wird nicht selten recht stiefmütterlich behandelt. Es ist ein offenes Geheimnis: Viele Fotograf*innen nehmen sich nach dem Shoot nicht die Zeit für eine sorgfältige Bildauswahl. Dafür gibt es sicherlich unterschiedliche Gründe. Und ja, eine differenzierte und methodische Bildauswahl erscheint, im Vergleich zu anderen Phasen wie Planung, Spaß am gemeinsamen Shooten und der Bildbearbeitung, oft als die unangenehmste Aufgabe. Hier wird dann gerne mal abgekürzt. Aber grade in dieser Phase gibt es ungleich mehr zu gewinnen. Wir investieren viele Stunden in Ideenfindung, Abstimmung, Vorarbeit, Shooting und vielleicht auch in eine aufwändige Bearbeitung der Bilder. Warum dann nicht auch in die Bildauswahl, die mit darüber entscheidet ob ihr nach 90 Minuten Spielzeit und entsprechenden Torchancen den Ball ins Tor bringt, oder eben nicht! Es mag jetzt etwas überzeichnet klingen, aber was bringt es, Zeit in ein Bild zu stecken und es Top bearbeitet zu veröffentlichen, wenn es in der Bildaussage eher zu den schwächeren gehört. Es bedarf übrigens in mehrerlei Hinsicht Zeit: Zum einen für die Auswahlläufe aber auch Zeit es liegen zu lassen um emotionalen Abstand, von der Stimmung während des Shoots, zu gewinnen. Wenn ich höre: „Ich stelle dem Model gleich nach dem Shoot alle entstandenen Bilder für ihre Auswahl zur Verfügung.“ Gleichzeitig gibt es Klagen wie: „Das Model hat genau die Bilder ausgewählt, die ich nicht genommen hätte.“ Hmm, schwierig. Sicherlich haben wir da auch unterschiedliche Ansprüche.

Meine Motivation

Ich möchte nicht verhehlen, dass die Motivation für eine bedachte Bildauswahl auch bei mir nicht vom Himmel gefallen ist. Auslöser waren meine Printpublikationen. Mit dem Schritt meine Arbeiten in gedruckter Form im Eigenverlag zu veröffentlichen und dabei nicht nur richtig Geld in die Hand zu nehmen, sondern auch etwas Bleibendes zu schaffen, an dem ich nach Jahren noch gemessen werde. Auch an den schlechten Ergebnissen. Wenn ich einen Bildband veröffentliche, steht dieser noch Jahre bei euch im Regal und wird immer mal wieder als Inspirationsquelle herausgenommen.

Aber sollte der gleiche Maßstab nicht auch für Bilder oder Bildstrecken gelten, die ich auf Social Media veröffentliche? Ich poste z. B. auf Instagram gerne auch kleine 10er-Bildstrecken. Sprich, sollte es für die Qualität der Bildauswahl nicht egal sein, wo diese veröffentlicht werden? Dies war zumindest der Gedanke, der sich mir aufgedrängt hat, nachdem ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigt habe. Es wäre irgendwie wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde, ich würde mit zweierlei Maß messen. Meine methodische, sehr intensive Sicht auf meine Arbeiten ist für mich tatsächlich ein stetiger Next Level in meiner Fotografie (warum dies so ist, dazu hier gleich mehr) und sie bringt mir, abgesehen vom zeitlichen Aufwand, nur Vorteile. Ein guter Grund diesen Maßstab für alle meiner Shoots in meinen Workflow umzusetzen. Es macht durchaus auch für meine Veröffentlichungen Sinn, da ich zum Zeitpunkt des Shootings nicht immer weiß, ob und wie es in einem meiner Print-Publikationen veröffentlicht wird. Heute ist es fester Bestandteil meines Workflows, auf den ich nicht mehr verzichten mag!

Kill your Darlings: Stetiger NEXT LEVEL

Der intensive Dialog während der Bildauswahl verhilft mir zu einem differenzierten Zugang zu meinen Bildern, auch den „schlechten“. Ich kann mich nicht mehr verstecken und muss mich meiner Selbstkritik stellen. Dieser Prozess, immer wieder aus Neue abzuwägen, macht etwas ganz Entscheidendes mit mir. Ich begegne mir und meinen Bildern auf eine sehr intensive Weise. Die ausgewählten Bilder und Bildstrecken müssen allen eigenen Gedanken dazu standhalten. Dies ist nicht immer angenehm! Aber es schult meinen Blick, da ich aus jedem Auswahlprozess mit neuen Gedanken herausgehe. Unabhängig davon, wie perfekt ich es umgesetzt habe. Das heißt, auch wenn ihr noch nicht so versiert darin seid und es sich erst einmal holperig anfühlt, werdet ihr davon profitieren! Ihr werdet euch jedes Mal etwas besser kennenlernen und mehr dazu erfahren, wie ihr hinter der Kamera tickt.

Bildauswahl mit Abstand

Wenn Bilder sehr zeitnah, vielleicht auch aus der Euphorie der Stimmung beim Shoot noch am selben Tag, aus der Masse ausgewählt werden, haben diese nach zeitlichem Abstand nicht immer die gedachte Wirkung. Woran liegt das? Wenn ich eine tolle, vielleicht auch euphorische Stimmung beim Shoot hatte (ob nun gerechtfertigt sei mal dahingestellt) bewerte ich nicht das Bild, sondern die Stimmung, die ich persönlich noch im Kopf habe. Das wird nur ein Betrachter nicht nachvollziehen können. Das eigentliche Bild wird überlagert und hält vielleicht nicht, was ich mir grade verspreche. Wenn ich mich beim Shoot z. B. wie irre über den krassen Lichteffekt begeistere, diesen dann fix in der Post akzentuiere um es am selben Abend noch zu posten, bzw. zeigen zu können, entgeht mir vielleicht, dass die Pose des Modells bei dem gewählten Bild eher unvorteilhaft ist. Erst mit Abstand und Methode gelingt es mir, Bilder im Vergleich zu bewerten. Ich spreche übrigens aus eigener Erfahrung. Ich habe es schon oft erlebt, dass Bilder mit zeitlichem Abstand betrachtet nicht mehr so stark sind. Und andere Bilder aus dem gleichen Setting die Stimmung wesentlich stärker transportieren.

Funfakt: Übrigens ist es ein Irrglaube das die Community bereits auf die Bilder meines heutigen Shoots wartet. Da draußen weiß niemand woran ich grade arbeitet. Der Zeitpunkt für ein gutes Bild ist egal. Es sollte aber eben ein gutes Bild sein und kein Schnellschuss oder wenn ich bei meiner Metapher bleibe: „Das zweitbeste Steak“. Die Dringlichkeit etwas zu Posten spielt sich ausschließlich in unseren Köpfen ab.

Im Vergleich die Wahl zu haben

Im Vergleich die Wahl haben ist bereits eines der wichtigsten Methoden der Bildauswahl. Bilder immer im Vergleich zu sehen bedeutet: Ich habe ein korrigierendes Maß und vor allem die Wahl. Ich habe es nicht selten, dass ich ein einzeln betrachtetes Bild richtig cool finde, dann aber im Vergleich ein anderes sehe, das stärker im Ausdruck ist, einen Tick zufälliger wirkt oder die Augenstellung noch stimmiger ist. Genau dieser Vergleich macht es mir dann aber ungleich leichter das „richtig coole“ Bild herauszunehmen. Ich bekomme bei einer methodischen Bildauswahl Handlungssicherheit. Grade bei etwas größeren Bildmengen verliert man bei einer intuitiven, eher zufälligen Bildauswahl schnell den Überblick und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.

How I do it

Hier einmal als Anregung die hard facts zu meinem Workflow. Sicherlich gibt es auch andere Herangehensweisen, die genauso gut zum Ziel führen. Diese passt einfach gut zu mir und meinem Mindset. Da ich kein Freund von Systembrüchen bin, habe ich mich auch bei der Bildauswahl für einen Workflow in LR entschieden, der nach dem Bildimport startet. Kurz dazu: Mein „Führungsworkflow“ findet in LR statt. Ich importiere die Bilder nach einem Shoot in LR und husche nur, für die zur Bearbeitung ausgewählten Bilder, für die Hautretusche nach PS und dann im Tiff-Format wieder zurück zu LR. Alle weiteren Bearbeitungsschritte, wie Schnitte, Bildlook usw. erfolgen bei mir in LR. Meine Bildauswahl erfolgt über Sternchen. Ich grenze meine Bildauswahl über das Hinzufügen von Sternchen ein, entscheide mich also „für Bilder“. Und kümmere mich nicht mehr um die Bilder, die auf der Strecke bleiben.

Erster Stern: Von Ballast trennen

Den ersten Durchlauf mache ich meist sehr zeitnah und vergebe das erste Sternchen intuitiv für alle Bilder die „halbwegs“ meinen Geschmack treffen. „Stopp! Boris wie war es jetzt mit deinem Tipp: Abstand?“ Hier besteht tatsächlich noch keine Gefahr „gute“ Bilder zu verlieren, da die Einstiegsschwelle für die nächste Runde noch sehr niedrig ist. Ziel ist es, möglichst viel Ballast loszuwerden, um bei der Feinauswahl wesentlich motivierter und frischer an den Start zu gehen. Einfaches Arbeitsprinzip der Motivation: Hast du einen großen Berg vor der Brust teile in so schnell wie möglich in kleine Stücke, sonst schiebst du ihn ewig vor dir her.

Zweiter und Dritter Stern: Vorauswahl // Bilder im Vergleich bewerten

Der zweite Durchlauf erfolgt frühestens! einen Tag nach dem Shoot oft später, damit ich Abstand zur „Euphorie“ des Shootings habe. Hier befasse ich mich mit den Bildern, die beim ersten Durchlauf einen Stern erhalten haben (sprich ich setze den Filter in LR auf einem Stern). Ab hier gehe ich methodisch vor. Ich nehme 4 bis 5 Bilder (variiert nach Bildmaterial) im Vergleich und vergebe für zweien davon den zweiten Stern. Der Dritte Durchlauf erfolgt im zeitlichen Abstand in gleicher Weise. Ich filtere in LR nach den 2-Sterne Bildern und vergebe aus einer überschaubaren Auswahl wieder im Vergleich den dritten Stern. Wenn die Bildmenge des 3-Sterne-Pool dann immer noch zu groß erscheint, mache ich eine “Rückschleife” und wähle wieder im Vergleich raus. Das hängt immer ein wenig mit der Anzahl unterschiedlicher Settings und der Diversität zusammen.

Der jetzt gewonnene Pool der 3-Sterne Bilder ist dann meine Vorauswahl, die ich auch dem Modell für ihre Bildauswahl zur Verfügung stelle (Vorschaubilder mit OOC-Logo, via Dropbox). D.h. sowohl das Model als auch ich greifen in dieselbe Auswahl, um dann unsere finalen Favorits auszuwählen. Das hat auch den Vorteil, dass sie bereit sieht, auf welche Bilder ich für meine Favorits zugreifen würde und ggf. immer noch ihr Veto einlegen kann. Bei einem normalen Shoot darf das Model aus dieser Vorauswahl ca. 10 Favoriten (angepasst an die Anzahl und Diversität der Settings) auswählen, die dann auch garantiert von mir bearbeitet werden. Sie bekommt im Anschluss selbstverständlich auch meine bearbeiteten Favoriten. Da ich ausschließlich auf TfP-Basis arbeite, sprich alle Parteien ihre Zeit für gute Bildergebnisse investieren, gilt für mich das Gleichberechtigungsprinzip auf Augenhöhen. Bei Langzeitprojekten mit demselben Model verfahre ich etwas anders. Da erfolgt die finale Bildauswahl erst nachdem alles auf dem Tisch liegt. Auch wenn wir zwischenzeitlich schon das eine oder andere Bild heraussuchen und bearbeiten. Übrigens lösche ich nach Bearbeitung und Übergabe der Bilder alle Bilder mit „kleiner/gleich“ einem Stern. Ich habe aus hunderten von Shoots die Erfahrung gemacht, dass ich auf diese Bilder nicht mehr zurückgreifen würde. Denkt einmal an euren Dachboden.

Vierter Stern: Finale Bildauswahl

Da ich schon immer in Bildstrecken denke und Shoote, geht es bei meiner Bildauswahl oft darum diese in Form einzelner Bildstrecken zu finalisieren, unabhängig davon ob es irgendwann in gedruckter Form publiziert wird oder als Bildstrecke oder Einzelbilder auf Social Media bzw. meiner Homepage o. ä. veröffentlicht wird. Meine finale Bildauswahl mache ich meist zweistufig (abhängig von der Bildmenge). Ich vergebe innerhalb des 3-Sterne-Pools in LR wieder im Vergleich „großzügig“ einen vierten Stern. Diese Auswahl drucke ich dann aus, um die finale Bildauswahl „analog“ vorzunehmen. Ich habe mir in LR ein einfaches Drucklayout erstellt: 6 Bilder auf einer DIN A4 Seite, inkl. Schnittmarken und Bildnummer. Das Ganze wird auf einem einfachen SW-Laserdrucker ausgedruckt. Danach schneide ich die Bilder mit einer einfachen Schneidemaschine zu. Ihr habt dann die Größe „Polaroid Format“. Das reicht absolut aus, ist kostengünstig und dauert nur wenige Minuten!

Vierter Stern bedeutet übrigens: „Wird bearbeitet“. Wenn das Model mir ihre Favoriten nennt, bekommen diese auch einen vierten Stern und eine Farbmarkierung, damit ich die Bilder ihrer Auswahl zuordnen kann.

Warum überhaupt ausdrucken?

Wenn ich z. B. aus einer Vorauswahl von 60 Bildern eine in sich stimmige (was auch immer das heißt) Bildstrecke zusammenstelle, die vielleicht auch noch eine Geschichte erzählt, ist dies aus unterschiedlichen Gründen am Monitor schlicht nicht leistbar! Unabhängig wie erfahren ihr seid. Manches Mal gibt es z. B. zu Beginn und zum Ende des Shoots Bilder mit gleicher Bildaussage. Diese würden in einer LR-Ansicht am Monitor schwer zueinander finden, da sie in der digitalen Bildauswahl an unterschiedlichsten Positionen stehen. Die nächste Hürde wäre das Puzzeln der Reihenfolge. In ausgedruckter Form kann ich alle Bilder so lange hin und her schieben und Bilder herausnehmen und wieder reinsetzen, bis es für mich stimmig ist. Ich habe immer den Blick auf das Gesamtbild. Diese Bildstrecken liegen dann auch Tage oder länger auf meinem Parkettboden, werden immer mal wieder mit Abstand betrachtet, in der Reihenfolge verschoben oder einfach Bilder wieder herausgenommen um zu schauen ob diese wirklich in der Story fehlen würden.

Es gibt auch Bilder die ich als Einzelbild betrachtet unfassbar gut finde, die sich aber nicht in die Bildstrecke fügen wollen. Dies erkennt ihr aber erst beim Aufbau der Strecke. Dann gibt es wiederum Moodbilder die als Einzelbild zu schwach sind, für die Strecke aber sehr wichtig.

Bild Fuerte, Marie (Lavendelblüten)

Wenn ich jetzt z. B. in meiner Auswahl vier Bilder mit gleicher Bildaussage habe, die einzeln betrachtet sehr stark erscheinen und diese dann zueinander lege, kann ich im Vergleich recht schnell entscheiden, welches für meine Story das stärkste oder passendste ist. Es geht wieder um Handlungssicherheit. Im Vergleich eine sichere Wahl zu treffen um dann auch mit einem guten Gefühl loslassen zu können. In der digitalen Welt (am Monitor) werdet ihr schnell den Überblick verlieren, da für das Gesamtbild oft mehrere Kriterien eine Rolle spielen. Ihr werdet natürlich auch am Monitor Entscheidungen treffen. Ab einer gewissen Komplexität werdet ihr aber merken, dass es sich unsicher anfühlt.

Probiert es einfach mal mit einer Auswahl eurer Bilder aus einem Shooting aus! Ihr werdet überrascht sein welchen Mehrwert ihr mit wenig Auswand bekommt, und welche Handlungssicherheit, vorausgesetzt ihr habt da den Anspruch nicht das „Zweitbeste“ zu zeigen. Ich höre da oft: „Ist ja nur für Instagram.“ Ich mache es selbst für eine Strecke von 5 bis 10 Bildern die ich z. B. als Bildstrecke im Feed auf Instagram poste. Wenn man diese Routine einmal verinnerlicht hat geht es wirklich ratz fatz eine sichere Auswahl zu treffen.

Fallstrick Redundanz

Eine der größten Fallstricke bei der Veröffentlichung von Bildern oder Bildstrecken ist Redundanz. Ich habe viele gute Bilder, die ich alle sehr mag. Ich hänge emotional an jedem dieser Bilder. Im Vergleich würde mir aber auffallen, dass diese irgendwie sehr ähnlich sind oder die gleiche Bildaussage haben und von vieren, drei zu viel wären.

Da läuft dann bei einer Bildstrecke schnell mal eine Frau, mit sich in der Bildaussage wiederholenden Bildern, endlos an einem Strand hin und her. Für die Fotograf*innen alles emotional wichtige Bilder. Für das Publikum aber nicht mehr nachvollziehbar. Die Herausforderung besteht darin, aus einer Fülle von Bildern, die ganz wenigen aber essentiell relevanten herauszuarbeiten.

Wenn der Schwanz mit dem Hund wackelt

Die Hürde „Redundanz“ zeigt sich übrigens bereits bei den Dreierreihen auf vielen Instagram-Feeds. Ich halte diese Modeerscheinung für schwierig. Es macht wenig Sinn sich, per Dekret, aufzuerlegen immer 3 Bilder aus einem Setting veröffentlichen zu müssen. Wenn ein Setting jetzt mal nur ein richtig gutes Bild beinhaltet, was ja nicht schlimm ist, bedeutet es zwangsläufig ich reduziere mich methodisch auf Mittelmaß, da ich mit zwei schwachen oder schlicht redundanten Bildern auffüllen muss. Und genau dies sehe ich in unzähligen Feeds. Es erstickt jede Form von Kreativität und über diesen Methodischen Zwang wackelt der Schwanz mit dem Hund. Und es macht einen Feed mitunter sehr eintönig. Beim Betrachten kommt dann schnell Langeweile auf. Wenn ihr damit angefangen habt, brecht dies bitte wieder auf. Auch wenn es im Übergang holperig ausschaut. Form follows function.

Emotion schlägt Perfektion

Auch wenn das Thema „gute Bilder“ sehr individuell ist, hier einmal meine Gedanken dazu, worauf ich bei der Bildauswahl achte. Disclaimer: Dies hat selbstverständlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und soll lediglich Anregungen geben. Als Ziel meiner Bilder wünsche ich mir, dass diese etwas beim Betrachter auslösen und ihn berühren. Eines der wichtigsten Kriterien für meine Bildsprache ist Authentizität und Stimmigkeit. Übrigens meine ich die bezogen auf die Menschenfotografie in der es um das porträtieren eine Menschen geht. Es gibt natürlich auch Sujets, wo dieses Element gar nicht erwünscht ist und bewusst über Abstraktion oder Übertreibung gearbeitet wird, wie z. B. bei einigen Fashion-Shoots.

Warum ist mir Authentizität und Stimmigkeit in meiner Bildsprache überhaupt so wichtig?

Das Einstufen von stimmig oder unstimmig ist ein Prozess, der sich ganz unbewusst innerhalb einer halben Sekunde bei jedem von uns abspielt. Das gilt auch für die Betrachtung von Bildern. Es ist ein archaisches Muster aus der Urzeit, wo instinktiv über kämpfen oder fliehen entschieden werden musste. Dieser Urinstinkt / -reflex ist in unserem Reptiliengehirn (Hirnstamm) hinterlegt und beeinflusst auch heute noch unsere Wahrnehmung, obwohl Mamuts und Säbelzahntiger nicht mehr unser Leben bereichern. Das Ergebnis ist aber immer das Gleiche: Fehlende Authentizität oder Stimmigkeit verursacht Misstrauen und lenkt unsere Aufmerksamkeit in die falsche Richtung. Es geht also um Emotionen, nicht um technische Ratio!

Bewusst eingesetzte Unstimmigkeit ist sicherlich ein interessanter Aspekt in der Bildsprache. Oft ist Unstimmigkeit in Bildern aber ungewollt und zufällig und erzielt dann ungewünschte Assoziationen beim Publikum. Das kann auch ein technisch perfektes Bild nicht retten. Resoniert hingegen das was ich sehe mit mir, wird es mich mit großer Wahrscheinlichkeit auch berühren. Wenn nicht, wird es mich bestenfalls begeistern.

Was bedeutet dies jetzt konkret für meine Arbeit? Mein Sujet ist „Akt-Porträt“. Dies meine ich im buchstäblichen Sinn. Also nicht den technischen Porträtschnitt, sondern das Porträtieren eines Menschen. Mal mehr, mal weniger bekleidet. Ein Element meiner Bildsprache dazu ist es, meine Bilder „facefokused“ aufzubauen. Ich möchte den Betrachter trotz offensichtlicher Nacktheit über den Ausdruck des Modells ins Bild ziehen. Damit dies funktioniert muss der Bildbetrachter im Ausdruck, der Pose usw. auf Stimmigkeit stoßen, um dort zu verweilen und eingeladen zu werden weiter in das Bild einzutauchen und sein Kopfkino anzustoßen.

Wenn ich hingegen keine Stimmigkeit vorfinde, gleitet der Blick einfach weiter über das Bild um nach Antworten zu suchen und landet vielleicht dann als erstes auf ihren Brüsten o. ä. oder es wird einfach weitergescrollt. Das wären dann eher „Brustbilder“ und das genaue Gegenteil von dem, dass ich mit meiner Bildsprache transportieren möchte. Ein wichtiger Grundsatz für meine Bildern dazu ist: „Nude but not exposed“. Wobei „exposed“ sich für mich nicht nur auf Nacktheit bezieht, sondern auf alles „Bloßstellende“. Das hat für mich auch sehr viel mit Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Menschen zu tun, der mir dieses Vertrauen schenkt.

Was bedeutet Stimmigkeit für meine Bildauswahl?

In meiner Fotografie treibt mich die permanente Suche nach Stimmigkeit. Bei meiner vergleichenden Bildauswahl ist ein Kriterium dann auch immer: „Welches Bild ist das stimmigere für meine Message.“ Das gilt natürlich auch für eine bedrohliche Bildstimmung. Auch diese sollte glaubwürdig sein. Man hört dann von mir z. B.: „Wow, den Blick kaufe ich dir sofort ab.“ Das mag der Blick, die Augenstellung sein, die bei einem Bild einfach stimmiger ist und bei einem anderen vielleicht ins Leere geht. Oder dass, das Handeln (was das Model tut) auch zur Körperpose passt und stimmig ist (das Model z. B. beim zuknöpfen ihrer Bluse auf die Fingen und nicht daran vorbei ins Leere Blickt). Aber auch Perspektive, Lichtverlauf, Bildaufteilung, Stimmigkeit im Hintergrund usw.

Ein typisches Beispiel dazu ist auch das „Zwei-Geschichten-Bild“. Ein Bild das ungewollt! zwei Geschichten beinhaltet, die aber nicht zusammenpassen. Zum Beispiel ein Männer-Porträt mit einem gelösten Lächeln, einem sympathischen Blick aber einer verkrampften Handpose. Es werden zwei Signale ausgesendet die sich kannibalisieren. Das Bild wird intuitiv als nicht stimmig eingestuft. Oder ein Bild in dem ein Modell über eine sehr spektakuläre Lichtsetzung inszeniert wird, unterstützt durch einen starken Farblook. Dann vor lauter Begeisterung übersehen wird, dass die Hand über die Perspektive fast größer als der Kopf und dann noch in entstellender Haltung eingefangen wurde. Das ist übrigens ein „Blinder Fleck“ bei Fotograf*innen, die ihre Bilder mit einer eher technischen Sicht gestalten. Vielleicht gab es in diesem Setting ja auch Bilder, auf denen beides zusammenpasst. Hier Abstand zu bekommen um auch die weiteren Elemente wahrzunehmen, die das Bildergebnis kannibalisieren, kann man lernen. Der Preis dafür ist aber, dass man genauso viel Zeit in die Bildauswahl wie auch in das Shooting oder eine aufwändige Bearbeitung steckt. Ich nehme auch technisch unscharfe Bilder mit in die Auswahl, wenn sie die Stimmung gut und stimmig transportiert (Bildern mit bewusst gesetzten Defokus einmal außen vor gelassen). Ich kenne Fotografen, die Bilder sofort herausnehmen, wenn das Auge nicht knackscharf ist, was ich persönlich schade finde, da es näher betrachtet dann oft Halbkörperporträts sind, auf denen die „Unschärfe“ nicht auffallen würde.

Ich würde bei der Bildauswahl immer Abwägen, welche Kriterien mir die wichtigeren sind und die Bildaussage am besten unterstützen. Mir persönlich hilf ein technisch perfektes Bild nicht, wenn es den Betrachter nicht berührt. Wir alle haben Prioritäten bei der Betrachtung von Bildern die einen achten eher auf die technischen Merkmale die anderen eher auf die emotionalen. Ein Next Level ist sicherlich, wenn wir über die Bildauswahl heraus finden wo unsere Blinden Flecken liegen, um da den Blick zu schulen!

Ich wünsche euch eine Gute Zeit

Euer Boris

Chiffon Touched

Ein transparenter Chiffon als Stilmittel in der Aktfotografie

Ich arbeite innerhalb meiner Themenreihe „un|nude“ sehr gerne mit transparenten Stoffen und Kleidungsstücken. Die Transparenz wirkt wie eine Firnis, die ein Maler über sein Werk legt. Die Linien grenzen ab, öffnen aber auch den Blick für neues Terrain. Jedes Verschieben der Grenzen führt hier zu einer neuen Sicht auf Milena. Und die Leichtigkeit, die sie ausstrahlt.

Diese Strecke ist meine Interpretation der Aktfotografie und auch eine Verbeugung an dieses Sujet.

 

Warum die Arbeit an meinem FineArt-Magazin ein stetiger Next Level für meine Fotografie ist

Wenig Raum diszipliniert definitiv zu einer sorgfältigen Bild-Auswahl. Die Herausforderung für mich besteht darin, mich meinen Bildern zu stellen, auch den schlechten. Aus einer Fülle von Bildern, die ganz wenigen, aber essentiell relevanten herauszuarbeiten, macht etwas ganz Entscheidendes mit dir. Aber einmal alles auf Anfang.

Mit „Shades of Light“ geht die zehnte Ausgabe meines FineArt-Magazins „BORIS BETHGE“ an den Start. Anlass einmal inne zu halten  um in einer Retrospektive die, über die Jahre, stetige Entwicklung meines Magazinformats zu beleuchten. Aber auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. Das „BORIS BETHGE“ keine einmalige Ausgabe, sondern eine Sammel-Edition werden sollte, habe ich mit der „01“ signalisiert. Damit verbunden die Hoffnung, dass sie zweistellig wird. Da wollen und erreichen bekanntlich nicht immer Hand in Hand gehen, war für mich der Start in dieses Abenteuer nicht nur spannend, sondern auch mit Unsicherheit verbunden. Vieles war neu oder sollte neu erlernt werden. Die Vorfinanzierung war schon ein ganzer Batzen. Bei der Freigabe des ersten Druckauftrags hatte ich schon ein wenig „die Buxe voll“. Am meisten beunruhigt hat mich wohl der Gedanke, dass sich keiner für mein Magazin interessieren würde.

FineArt-Magazin "BORIS BETHGE" Ausgabe 01

Faszination Self-Publishing

Was hat mich getrieben ein FineArt-Magazin im Eigenverlag heraus zu bringen? Die eigenen Arbeiten in gedruckter Form zu publizieren ist denke ich ein Herzenswunsch eines jeden Fotografen. Man steckt gemeinsam so viel Zeit und Empathie in die Bilder. Online sind diese aber so flüchtig in der Wahrnehmung und vergänglich wie eine Eintagsfliege. Erst in gedruckter Form ist es ein Bild! und kann mit ALLEN Sinnen wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Und es ist auch nach Jahren im Bücherregal greifbar, um es mit Euch hier auf den Bildern und Euch, die ihr meine Arbeit als Inspirationsquelle schätzt, zu teilen. Ich weiß noch, wie ich mich Anfang 2017 auf dem Weg gemacht habe. Um sowohl meinen Arbeiten als auch dem Vertrauen der Menschen vor meiner Cam gerecht zu werden, war mein Credo: Keine Kompromisse. Weder bei der Druckqualität, den Materialien noch bei Layout und Größe. Tatsächlich habe ich gut 7 Monate über das Format gebrütet. Darüber, welche Größe, Proportionen, welche Gestaltungselemente, welches Papier zu mir und meinen Bildern passen. Und auch speziell beim Layout: Die Verwendung eines Rasters um Ruhe in ein sonst abwechslungsreiches Layout zu bringen. Alleine die Blindprägung des Cover-Titels ist nicht nur ein Statement für guten Buchdruck, sondern schlägt auch bei den Druckkosten zu Buche. Es ist eine Hommage an die alte Buchdruckkunst und wird wie zu Gutenbergs Zeiten auf einem über 100 Jahre alten Heidelberger Zylinder gefertigt. Dass viele von euch nach dem Auspacken meines FineArt-Magazins als erstes mit den Fingern über den geprägten Titel streichen, zeigt mir, dass die Massage rüberkommt. Gleiches gilt für den Einklapper, der in raffinierter Weise gleich fünf Funktionen erfüllt. Wobei ich die fünfte Funktion als Abstandhalter zum trocknen der, mit Füllfederhalter signierten, Widmung durch Zufall entdeckt haben. Neben Inhalt und Format sind es für mich Alleinstellungsmerkmale wie diese, die einen Unterschied machen.

geprägter Titel

Prägewerkzeug für die Blindprägung des Titels einrichten
Prägung des Titels auf einem Heidelberger Zylinder

Last but not least: Der Pigmentdruck. Anstelle des, ab einer bestimmten Stückzahl, i.d.R. kostensparenderen, Offsetdruckes lasse ich meine FineArt-Magazine auf einer der neuesten Druckstrecken von Fujifilm, im FineArt-Pigmentdruck fertigen. Bitte an dieser Stelle richtig verstehen: Es gibt sowohl beim Digital- als auch beim Offset-Druck gravierende Qualitätsunterschiede. Und selbstverständlich gibt es auch qualitativ hochwertig umgesetzten Offsetdruck!!! “Offsetdruck” ist aber per se kein Kriterium für Bildbandqualität. Ich finde es z. B. schwierig, wenn ein SW-Bildband mit “Highend-Offsetdruck” bepreist wird und die “Farbe” Schwarz drucktechnisch nicht vorhanden ist, weil alle Bilder unisono in eher flachen Graustufen ausgeführt wurden. Grade für SW-Bildbände finde ich Duo- und Tri-Ton-Verfahren sehr spannend, die es erlauben noch kontrastreichere und tiefenscharfe S/W-Bilder zu drucken. Quasi schwärzer wie schwarz. Den SW-Druck über 3 Druckplatten zu realisieren ist allerdings kostenintensiver. Es ist, denke ich, immer auch eine Frage des Budgets, der Gewinnerwartung und des eigenen Anspruchs an das Druckergebnis. Wie heißt es so schön: “Jeder Jeck ist anders.” Eure durchweg positiven Feedbacks zu den Inhalten, der Druckqualität und den Gestaltungselementen bestätigen mich darin, keine Kompromisse zu machen. Dazu, dass auch ich auf diesem Pfad auf Abwege gekommen bin, erzähle ich euch später mehr.

Lehrgeld

„Die Streifen auf dem Umschlag sehen wir jetzt nicht als Reklamationsgrund. Papier ist halt ein empfindliches Produkt!“ Ja, neee!!! Die Wahl der ersten Druckerei war eher semi-optimal. Ich hatte mir eine regionale Druckerei ausgewählt. Da diese aber nur im digital Laserdruck (pulverbasiert) fertigen konnte, wurde der Druck an die Schwester nach Berlin verlagert. Trotz vollmundiger Qualitäts-Versprechen hatte wir bei der Umsetzung wohl doch ein unterschiedliches Verständnis für gute Druckkunst. Dort verfügte man zwar über die geeignete Technik (Pigmentdruck), Druckaufträge wurden da allerdings, ohne Herzblut, wie Pizzaflyer behandelt. Danach wusste ich zwar, worauf ich bei der Wahl eines geeigneten Druckpartners achten würde, hätte aber gerne auf diese Erfahrung verzichtet. Ihr seht, es ist nicht alles auf Anhieb glatt gelaufen. Der Exkurs mit einer „Online-Druckerei“ bei Ausgabe 06 war dann auch ein einmaliges Learning. Zugegeben, auch mich hat die Kosteneinsparung in den Fingern gejuckt. Die Wahl fiel auch auf einen, in der Community oft genannten, Empfehlungskandidaten, der auch mein Großformat mit gleichem Inhaltspapier Umsetzen konnte. Bei den Kriterien fallen bereits eine ganze Reihe an Anbietern, mit wenig Papierauswahl und Standardformaten wie DIN A4, heraus. Das Druckergebnis hat mich dann doch nicht überzeugt. So wurde ich dann wieder an mein Credo erinnert: Boris, keine Kompromisse.

Und es gab über die einzelnen Ausgaben hinweg Höhen und Tiefen. Bspw. die matte Cellophanierung des Umschlags ab Ausgabe 07 ist Top und sorgt sogar für ein noch plastischeres Relief bei der Prägung des Titels. Aber auch: „Moin Herr Bethge, wir haben grade das Papier geliefert bekommen, sieht irgendwie anders aus.“ So ist es, wenn der Hersteller Pleite macht und das Papier mit geänderter Spezifikation unter gleichem Namen vertrieben wird. Das Coverpapier musste tatsächlich aus unterschiedlichen Gründen im Verlauf der einzelnen Ausgaben 3-Mal gewechselt werden. Gut, wenn man dann einen Druckpartner hat, bei dem der Geschäftsführer mit seinem Druckerherz, wie ein Trüffelschwein nach einem Papierklon sucht oder die finale Farbanpassung an der Drucklinie persönlich begleitet. Hier hat sich in der Zusammenarbeit auch die regionale Nähe bezahlt gemacht. Grade in gefühlten „Krisensituationen“ gibt es mir ein gutes Gefühl sofort in ein persönlichen Dialog zu gehen.

Papierauswahl, ein hoch emotionales Thema

Wenn man sich nicht mit einem Standardpapier zufrieden geben möchte, hat man die Qual der Wahl unter unzähligen verschiedenen Papiersorten, die nicht nur im Preis variieren, sondern auch unterschiedlich Einfluss auf die Bildwirkung nehmen. Ich war in den ersten Gesprächen erschlagen, bar der Vielfalt. Ihr solltet unbedingt ein Papier wählen, dass zu euren Bildern und eurer Bildsprache passt. Wenn eure Bilder z. B. in die Richtung Fashion, Farbe und Magazinstyle gehen, könnte ein gestrichenes, glänzendes Bilderdruckpapier passen. Sind eure Bilder eher rough, SW und feine Details sind nicht so wichtig, würde ich vielleicht ein ungestrichenes / offenes Papier wählen. Ich habe mich für ein gestrichenes, mattes Papier mit einer feinen Struktur, analog guter FineArt-Prints, entschieden. Es wird den feinen Nuancen in meinen Bildern gerecht und die Struktur vermittelt ein haptisches Erlebnis. Und ich habe mich bewusst gegen ein rein weißes Papier entschieden und einen leichten Eierschalen-Farbton gewählt. Weiß wirkt sehr steril und würde nicht zu der emotionalen Bildstimmung meiner Arbeiten passen. Bei einer anderen Art der Fotografie kann es sehr wohl die bessere Wahl sein. Ihr seht, Papierauswahl ist hoch emotional und individuell. Ich habe bei der Suche nach einer geeigneten Druckerei jedes Gespräch auch dazu genutzt bereits über Papiere zu schauen und mit jedem Gespräch ein besseres Gefühl dazu bekommen. Wenn die regionale Nähe nicht gegeben ist, könnt ihr euch auch Papiermuster zusenden lassen. Gleiches gilt natürlich für alle anderen Parameter. Nutzt die persönlichen Gespräche um möglichst viel Input aber auch Ideen für eure Entscheidung zu gewinnen.

Strukturiertes FineArt-Papier

Feedback von außen

Dass ich in einer beruflichen Etappe auch im Bereich des layouten und produzieren von Printmedien unterwegs war hat mir hier unfassbar geholfen. Ich habe mir bei den unterschiedlichen Projektphasen aber immer wieder eine Sicht von außen dazu geholt und lasse auch andere über meine Bilder schauen. Meine Frau Anne ist da übrigens für mich ein wertvoller Sparringspartner. Tatsächlich würde ich jedem bei so einem Projekt empfehlen sich auch den Blick von außen einzuholen. Beispielsweise mit InDesign bin ich nach einem Crashkurs von Corinna super klargekommen. Da Corinna sich nicht nur vor meiner Cam wohl fühlt, sondern auch Mediendesignerin ist, hatten wir es mit einem Shoot verbunden. Zuerst haben wir einige Bildideen umgesetzt. Dann, nach lecker Pasta, hat sie mir die Grundzüge in InDesign gezeigt. Mein Layout hatte ich vorher bereits komplett entwickelt, so dass wir es nur noch in InDesign zum Leben erwecken mussten.

Analoger Aufriss des Magazin-Layouts

analoger Aufriss des Magazin-Layouts

Corinna war selbst in der ersten Ausgabe mit einer Bildstrecke zu „Tage am Meer“ vertreten, die wir in St. Peter-Ording geshootet haben. So konnte ich zusammen mit ihr auch gleich die Druckdaten für ihre Strecke setzen und habe super Tipps für das Handling des Programms bekommen. Damit ich die Handgriffe in meine “Birne” bekomme, hat Corinna übrigens nicht einfach nur gezeigt oder vorgemacht, sondern hat mich machen lassen. Ich glaube ich habe in der Zeit danach nur dreimal eine Funktion erfragen müssen. Corinna: Ganz lieben Dank an dieser Stelle! Vom Shooten der Bilder, Kuratieren der Bildstrecken und Setzen der Druckdaten (in InDesign) bis zur fertigen Druck-PDF kann ich heute alle Schritte selber ausführen.

Behind the Scenes, SPO

Corinna, FineArt-Magazin "BORIS BETHGE", Ausgabe 01

Ein Format im stetigen Umbruch

Die Inhaltlichen Formate haben sich, zusammen mit mir, stetig weiterentwickelt. Seit ich Menschen fotografiere, denke ich tatsächlich in Bildstrecken. Ein Grund, warum ich in Ausgabe 01 und 02 ausschließlich komplette Bildstrecken gezeigt habe.

Mayté, FineArt-Magazin "BORIS BETHGE", Ausgabe 02

Für Einzelbilder, die mir sehr ans Herz gewachsen sind, habe ich in Ausgabe 03 die Rubrik „Lieblingsbilder“, heute „Selected Works“, ins Leben gerufen. Mit Ausgabe 04 habe ich begonnen, auch Themen-Monografien zu publizieren. In „Fifty Shades of Boris´ Light“ waren es 50 Bilder aus einem Langzeitprojekt. Alle im selben Raum, mit derselben Kamera, demselben Objektiv und offenblendig erstellt. Aber alle Bilder sehr unterschiedlich voneinander. Einzige Variablen: Die eigene Kreativität und der Mensch vor der Kamera.

FineArt-Magazin "BORIS BETHGE", Ausgabe 04, „Fifty Shades of Boris´ Light“

Mit Ausgabe 06 gab es wieder einen Perspektivwechsel. Die außergewöhnlichen Bildstrecken in „Seven Days in Paradise“, unserer Shooting-Tour nach Fuerteventura, wurden chronologisch aufgebaut, wie ein kleines Tour-Tagebuch. Kleine Anekdoten sowie wertvolle Tipps zur Planung und Umsetzung für eure eigene Shooting-Tour, kamen als ergänzende Elemente hinzu. Auch Corinna hat ihre Sicht mit eingebracht und berichtet nicht nur von meinen optimistischen „nur 20-Minuten-Fußmärschen“. So konnte ich euch in einer sehr kurzweiligen Weise mit auf die Reise nehmen.

Corinna, FineArt-Magazin "BORIS BETHGE", Ausgabe 06, "Seven Days in Paradise"

Ausgabe 09 „Merlin and the Nudes“ ist ebenfalls als außergewöhnliche Themen-Monografie aus einem 14-monatigen Langzeitprojekt heraus entstanden. Übrigens, wenn ich den Begriff „außergewöhnlich“ verwende, ist es im buchstäblichen Sinne gemeint. Es geht mir hier nicht um eine Qualifizierung. Dieses Thema ist in dieser Form fotografisch noch nicht behandelt oder publiziert worden.

Mayté, FineArt-Magazin "BORIS BETHGE", Ausgabe 09, "Merlin and the Nudes"

In den Ausgaben dazwischen immer wieder sehr unterschiedliche Bildstrecken und Einzelbilder. Mein besonderes Augenmerk liegt nach wie vor auf einer sorgfältigen Auswahl der Bilder und Diversität für das Storytelling. Übrigens war auch bei mir der Drang groß, die „teuer bezahlten“ Seiten optimal zu nutzen. Mittlerweile gibt es aber bewusst eingesetzten Leerraum sowie Leerseiten um den Betrachter zu entschleunigen und auch den Bildern mehr Luft zum Atmen zu geben. Es lohnt sich! So erscheinen alle FineArt-Magazine in meiner Sammelreihe in einem wohltuend konsistenten Rahmen. Sind aber inhaltlich im ständigen Umbruch und inspirieren mit immer neuen Akzenten. Ich hatte mein Magazin bereits 2018 als den “Wolf im Schafspelz” tituliert. Es kombiniert sowohl die Leichtigkeit und den Spirit eines MAGs als auch das Gefühl einen hochwertigen Bildband in Händen zu halten. In dieser Kombination einzigartig.

Da ich der Ansicht bin, dass Farbe in meinen Bildern oft zu geschwätzig ist, veröffentliche ich den größten Teil meiner Arbeiten in SW. In der Bildstrecke „Gezeiten“ mit Sorina, aus Ausgabe 10, ist der Schwerpunkt bewusst auf Farbe gelegt. Viele Dieser Bilder transportieren die Stimmung tatsächlich in Farbe mit Abstand am besten. Besonders bei offenblendigen Gegenlichtaufnahmen fällt mir oft auf, dass Feinheiten im Streulicht über die Ausbelichtung in SW verschluckt werden oder zu flacheren Ergebnissen führen. Letzteres wäre für meine SW-Fotografie fatal, da ich sowohl feine Details als auch ein knackiges Schwarz in meinen Bilder umsetzen möchte.

Sorina, FineArt-Magazin "BORIS BETHGE", Ausgabe 10, "Shades of Light"

Klasse statt Masse

Das Format ist bewusst in der Seitenzahl limitiert. Ich möchte lieber regelmäßig aktuelle und gut ausgewählte Strecken sowie Selected Works zeigen, als mich dem Diktat des Seitenfüllens zu unterwerfen. Das überlasse ich Anderen. So bin ich auch viel näher an dem aktuellen Stand meiner Entwicklung. Wobei durchaus auch Bilder aus früherer Zeit den Weg ins Magazin finden, wenn sie für mich immer noch wichtig und relevant sind. Der Gegenpart dazu wäre z. B. ein 400-seitiges Buch beliebig mit Bildern zu füllen. Zugegeben etwas überzeichnet, aber wenig Raum diszipliniert definitiv zu einer sorgfältigen Bild-Auswahl. Da entstehen für das Publikum schnell einmal unliebsame Längen. Die Herausforderung für mich besteht darin, mich meinen Bildern zu stellen, auch den schlechten. Aus einer Fülle von Bildern, die ganz wenigen, aber essentiell relevanten herauszuarbeiten, macht etwas ganz Entscheidendes mit dir. Du begegnest dir und deinen Bildern auf einer sehr intensiven Weise. Das ist übrigens nicht immer angenehm. Die ausgewählten Bilder und Bildstrecken müssen allen eigenen Gedanken dazu standhalten.  Dieser Prozess ist nicht nur der zeitaufwändigste, sondern meines Empfindens nach auch der wichtigste. Die Auseinandersetzung, innerhalb von hunderten von Bildstrecken und Bildern, hat meinen Blick immer wieder ein Stück weit verändert und geschult. Und natürlich mache auch ich Fehler, zu Beginn und sicherlich auch heute noch! Aber ich gehe aus jedem dieser Prozesse mit neuen Gedanken heraus. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass es Fehler gibt die man selber machen muss um sich persönlich weiter zu entwickeln. Da hilft keine Abkürzung und anders wie bei Social Media sind es Formate wie diese, die dazu motivieren mich intensiver mit mir selbst auseinander zu setzen. Hier trennt sich nicht selten die Spreu vom Weizen.

Anti-Social-Media

Bilder in diesem Print-Format zu veröffentlichen, war für mich auch ein entscheidender Schritt aus der inflationären und schnelllebigen Welt des Social Media auszubrechen. Auch hier bitte richtig verstehen: Social-Media ist Fluch und Segen zugleich und ohne Social Media würde mich sicherlich kaum einer hier kennen! Der Drang immer gleich etwas auf meinem Feed zeigen zu müssen, hat aber spürbar abgenommen. Dieser Gegenpol hat sehr viel Ruhe in mein Schaffen gebracht. Ich habe mich wieder viel mehr auf die Inhalte konzentriert und den Wert meiner Arbeit nachgespürt, ohne den Gedanken daran, wann es denn veröffentlicht werden sollte. Und anders wie im Social-Media-Feed, kann man die Dramaturgie innerhalb einer Print-Publikation wesentlich gezielter steuern. Ich habe hier eine “Schätzchen-Schublade” mit kompletten, unveröffentlichten Bildstrecken, ohne dass es mich drängt, sie sofort zeigen zu müssen. Wenn die Zeit reif ist, werden die Strecken und Einzelbilder ihren Weg finden. Übrigens, wie ihr seht, mag ich es bei der Bildauswahl “analog”.  Ich drucke relevante Strecken aus und mache die finale Bildauswahl bzw. Vorauswahl mit den Ausdrucken. Bringe sie zu meiner Idee einer Story in  eine Reihenfolge und notiere mir ggf. auch Gedanken zu Assoziationen, Bildschnitt o. ä. auf dem Ausdruck. Oft liegen die Bild-Strecken Tage oder Wochen hier herum, damit ich sie auch immer wieder mit zeitlichem Abstand betrachten kann. Nicht selten positioniere ich Bilder wieder um. Ich finde es spannend auszuprobieren, ob Bilder nach dem herausnehmen wirklich fehlen und wie eine unterschiedliche Reihenfolge in meiner Wahrnehmung die Story verändert.

Planschrank in meinem Galerie- und Arbeitsloft

Bildauswahl "Analog"

Böse Zungen behaupten ja, Studiokater Merlin würde die Bildauswahl für mich machen

Blick in die Zukunft

Eure, in Teilen auch sehr tiefgehenden, Feedbacks zu Inhalt, Qualität und der Relevanz meiner Bildbände bestärken mich darin auch zukünftig keine Kompromisse einzugehen. Schon vorab: Selbstverständlich werde ich meine Arbeiten weiter in diesem Format publizieren. Ausgabe 01 bis 04 sind mittlerweile ausverkauft und avancieren zu Sammlerstücken. Eine Entwicklung, die mich sehr stolz und unfassbar glücklich macht. Aber auch mit Dankbarkeit verfüllt. Das zeitlose Layout hat sich bei den unterschiedlichen Schwerpunkten und Perspektiven meiner Arbeit über alle bisherigen Ausgaben bewährt. Hier werde ich sicherlich auch hinzukommende Formate einbetten können. Wenn ich ein Blick in die Zukunft wage, gibt es bereits neue Inhalte und auch Formate, die ich mir vorstellen kann.

FineArt-Magazin "BORIS BETHGE", Ausgabe 10, "Shades of Light"

Ein Ende letzten Jahres gestartetes Langzeitprojekt wird im doppelten Sinne in eine Monografie münden. Es beleuchtet die ungezähmte Leidenschaft einer jungen Frau zum Tanz. Ein weiteres Projekt zum Thema „Selbstliebe“ steht in den Startlöchern.

Ich könnte mir gut ergänzende Formate vorstellen, wie beispielsweise: Behind the Scenes, How I do it (Infos oder Tutorials über meine Arbeitsweise, ergänzend zu konkreten Strecken oder Projekten), ein Interview-Format mit einer Protagonistin oder vielleicht auch ein „Werkstattbuch“ zu einem meiner Langzeitprojekte. Da gibt es durchaus schon Ideen, die ich wohl dosiert zu bereits geplanten Projekten aufgreifen möchte. Die Texte werden aber auch zukünftig nur ganz dezent eingesetzt um den Bildern Raum zu lassen und nicht alles auszuerzählen. Sicherlich werden innerhalb des Formats meiner FineArt-Magazine auch wieder Akzente hinzukommen, die sich einfach durch die stetige Entwicklung meiner Fotografie „aufdrängen“. So ist die Arbeit für und an meinem FineArt-Magazin auch ein wichtiger Sparringspartner und stetiger Next Level meiner Entwicklung. Es bleibt sicherlich spannend und inspirierend.

Ich gebe übrigens mein geballtes Wissen zu dem kompletten Prozess, von der Idee bis zur Veröffentlichung eurer eigenen MAGs oder Bildbände, in Form eines eigens dafür entwickelten Coaching-Formats, an euch weiter. “Print & Publish your own Photobook”

 

Ich wünsche Euch eine gute Zeit

Euer Boris

 

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Wie ein Kater meine Akt-Porträts beeinflusst

Authentizität oder auch Stimmigkeit ist mir in meiner Bildsprache sehr wichtig. Auch wenn es um Posing, besser noch „Nicht-Posing“ geht. Genau hier hat mir Studiokater Merlin in die Hände gespielt. Bevor jetzt die Frage kommt, was der Kater denn jetzt mit meinen Akt-Porträts zu tun hat, einmal alles auf Anfang.

Das Initial war ein Shooting mit Nicole, in das sich Kater Merlin hineingeschummelt hatte. Wir hatten Merlin wenige Wochen zuvor in unsere Familie aufgenommen. Ich fotografierte Nicole gerade liegend, als Kater Merlin durch die Tür kam und zielstrebig auf sie zu tapste. Dieses Strahlen, das diese Begegnung auf Nicoles Gesicht zauberte, war bemerkenswert.

Merlin ist übrigens sehr kontaktfreudig, so dass die beiden unbeschwert miteinander agiert haben. So ist innerhalb des von mir gesetzten Rahmens, zwischen Merlin und Nicole, eine eigene Handlung entstanden. Es war also nicht nur die Interaktion zwischen mir als Fotografen und Nicole vor der Kamera, sondern auch zwischen ihr und Merlin als zusätzlichen Protagonisten. Die besondere Stimmung und vor allem die außergewöhnlichen Bilder die dabei entstanden sind, haben mich begeistert. Darüber hat der Kater sich als Mitarbeiter des Monats qualifiziert und ist zu „Studiokater Merlin“ aufgestiegen.

Auch wenn ich ein Stück weit ausgeblendet wurde, gab es einen feinen Kommunikationsfaden zu Nicole. Es fühlte sich irgendwie an wie ein Wechselspiel zwischen einem Portrait-Shoot mit sehr viel Nähe und einer Reportage von der Seitenlinie aus. Jetzt war ich natürlich sehr neugierig, ob dieser Effekt eine Eintagsfliege bleibt oder reproduzierbar wäre.

Bei den kommenden Shoots habe ich Merlin, immer wenn seine Neugierde die Oberhand bekam, für ein bis zwei Settings mit eingebaut. Im Anschluss sind auch wieder Bilder ohne Kater entstanden. Das war der Start für das Langzeit-Projekt „Merlin and the Nudes“, das mich bis hierher 14 Monate lang begleitet hat.

Essentiell für mich ist, was Merlins Anwesenheit mit uns Menschen und im Besonderen mit Frauen macht, die bekanntlich über sehr feine Antennen verfügen. Und wie dieses zusätzliche Element die Bildstimmung beeinflusst und neue Facetten erst möglich macht. Ein Aspekt dazu ist sicherlich die Eigendynamik, die bei den Frauen ein natürlicheres Verhalten provoziert und darüber zu noch authentischeren Bildern führt. Dies macht es sehr reizvoll für mich.

Studiokater Merlin sorgt durch sein Wesen für spannende Variablen innerhalb des Zusammentreffens. Es bringt auf der einen Seite eine Leichtigkeit und Eigendynamik in den Shoot, zum anderen aber ist die Inszenierung, Bildaufbau usw. ungleich schwerer. Wenn man einer Katze eine Anweisung gibt, nimmt sie es zur Kenntnis und kommt vielleicht später darauf zurück. Es ist in keiner Weise vorhersehbar und benötigt noch mehr Geduld und Empathie.

Für Fotograf*innen, deren Fokus eher auf der technischen Umsetzung und der Kontrolle über das Geschehen liegt, ist es sicherlich eine interessante Erfahrung, zu erleben, dass los- oder laufenlassen zu anderen Bildergebnissen führen kann. Bilder, die man sonst vielleicht nicht bekommen würde.

Eine Katze am Set ist übrigens auch ein Indikator für die Stimmung während des Shoots. Katzen sind da kompromisslos und unbestechlich. Sie haben ihren eigenen Kopf. Wie heißt es so schön: „Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal.“ Wenn die Stimmung am Set nicht passt, würden auch diese besonderen Bilder nicht entstehen. Wenn aber alles passt, sorgt dieses sympathische Fellknäul wie ein Turbolader dafür, dass es noch entspannter und vor allem noch ungestellter wird.

Wenn dem Kater langweilig wurde, hat er sich einfach wieder ausgeblendet. Manches Mal auch nur in die Ecke gelegt, um das Treiben zu verfolgen oder ein Mittagsschläfchen zu machen.

Dieses Projekt ist übrigens kein Ausflug in die Tierfotografie. Ich bleibe ich meinem Sujet „Akt-Porträt“ treu. Da gilt: „form follows function“, in meinem Fall: „form follows mindset“. Ich kann aber für meine Bildsprache auf zusätzliche Elemente zugreifen. Hinzu kommt, dass Merlin als weiterer Protagonist in Tiergestalt den Interpretationsspielraum der Bildergebnisse erweitert. Ein interessanter Aspekt dazu ist sicherlich auch das Thema Projektion.

Wir sehen die Welt, wie wir selbst sind und sind in unserer Wahrnehmung durch unsere persönliche Einstellung limitiert. Darüber, was uns geprägt hat und in uns steckt. Vereinfacht ausgedrückt: Wir schauen durch eine gefärbte Brille. Dies ist, denke ich, auch ganz essentiell für die eigene Bildsprache. Eine sehr spannende Frage dazu für mich: Welche Rolle projiziert sowohl der Fotograf (also ich) sowie auch das Publikum, über den zusätzlichen Protagonisten in Tiergestalt in die Bilder? Und sei es vielleicht auch nur unbewusst über die Bildauswahl.

Betrachtet die Bilder auch einmal gezielt unter diesem Aspekt. Vielleicht fällt Euch auf dem einen oder anderen meiner Bilder etwas dazu auf. So ist aus der Begegnung mit Merlin und 13 einzigartiger Frauen eine außergewöhnliche Themen-Monografie entstanden. Die Bildergebnisse sind in meinem FineArt-Magazin, Ausgabe „Merlin and the Nudes“, in gedruckter Form veröffentlicht.

Informationen zum Magazin

zum Shop geht es HIER: „Merlin and the Nudes“
Sprache: Deutsch
Einband: Softcover
Seiten: 72 Seiten, Pigmentdruck auf mattem 170 g GalaxiArt Samt
Maße: 24 x 32 cm

 

 

Oh, ein Boris. Aber kann ja nicht, ist ja Farbe

Mein Image-Berater hatte mir zwar abgeraten Bilder in Farbe zu zeigen, ich habe mich mit dieser Strecke von Sophie aber doch getraut. Eine Bildstrecke in Farbe, für einige die mir schon länger folgen ungewohnt. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich überwiegend Bilder oder Bildstrecken in SW veröffentliche. Umso mehr freue ich mich über die Reaktionen. Besonders wenn auch Farb-Bilder über meine Bildsprache erkannt werden.

Ich dachte zunächst, oh, ein Boris. Aber kann ja nicht, ist ja Farbe. Aber hoppla, ist ja doch ein Boris. Farbliche Weihnachtsüberraschung. Michael Scharrer

Zu Gast beim Boudoir Podcast von Boris Mehl

Wir sprechen über die Fotografie mit natürlichem Licht. Wie entstehen Portraits , die echt sind. Bilder, die berühren. Wir sprechen über mein Herzensprojekt, die FineArt-Magazine, die Auswahl der passenden Bilder, das Fotografieren in Bildstrecken, das Kuratieren der Magazine, das Vertrauen bei Fotoshootings und noch viel mehr.

Zu Gast bei meinem Namensvetter Boris Mehl sprechen wir auch darüber, dass Fotografie viel mehr als das Beherrschen der Technik ist. Ketzerisch: Die Technik ist für mich so ziemlich das unwichtigste. Neben dem Licht sehen, ist die Kommunikation mit dem Modell ausschlaggebend für gelungene Bilder. Das Vertrauen zwischen Fotograf und Modell ist entscheidend für Bilder, die berühren.

Der Unterschied, Bilder nur am Monitor zu sehen oder auch etwas gedrucktes in Händen zu halten, ist enorm! Ein gedrucktes Bild wirkt um Längen besser, als ein flüchtiges Betrachten am Handy oder Bildschirm. Wir sprechen darüber wie ich dazu komme, ein FineArt-Magazin heraus zu bringen, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind und was das Denken in Bildstrecken mit dem Fotografen macht.

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Wie entsteht ein Fotomagazin im Eigenverlag?

Im Schnack mit Ulf Krueger gebe ich einen Exklusiven Einblick „Behind the Scene“ zur Entwicklung eines Bildbandes am Beispiel meines FineArt-Magazins „BORIS BETHGE“. Was ist meine persönliche Motivation. Entwicklung der Grundidee sowie des Formats wie: Abmessungen (Super Gau DIN A4), Qualität, Layout, besondere Akzente meines Mindsets und USPs und Gestaltung der Inhalte. Erstellung der Druckdaten. Worauf ist bei der Suche eines Druckpartners und der Drucktechnik zu achten? Administrationsaufwand, Tipps für eure eigenen Publikationen. Und noch viel mehr.

Solltet ihr euch selber mit dem Gedanken tragen etwas in gedruckter Form zu veröffentlichen lohnt Reinhören definitiv!

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