Macht mich die Kameratechnik zu einem besseren Fotografen?

Ich möchte gerne meine Gedanken zu diesem Thema mit euch teilen. Wohl wissend, dass es meine ganz subjektive Sicht auf die Fotografie ist und auch keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Wenn ich von Kameratechnik spreche meine ich es sowohl im Buchstäblichen Sinne, also die Hardware (Kamera, Objektive, Blitze, usw.). Es wird aber auch einen Sidekick auf die Prozesse nach Entstehen des Bildes (dem Drücken des Auslösers) geben, da hier gerne vom Weg auf das Ergebnis geschlossen wird, was meines Erachtens in eine Sackgasse führen kann.

Ich habe den Eindruck in der Fotografie wird zu Bildern immer mehr über den Einsatz einer besonderen Kameratechnik gesprochen, als dass es um die Essentials des Fotografierens ginge. Dies beobachte ich auch in zahlreichen Blogs und Podcasts. Präsentierte Bilder werden auch gerne mal über Hilfsgrößen qualifiziert, wie: Analog, Vintage-Objektiv, Kameramarke, (place any). Aber auch Begriffen wie „ooc“ (out of cam) scheinen ein Bild qualitativ aufzuwerten. Wobei „ooc“ meist bedeutet, dass das Bild als Jpeg-Format mit einem Preset fotografiert wurde und man sich die Nachbearbeitung gespart hat. Dies machen übrigens auch Handykameras, und gar nicht so schlecht. Mal Hand aufs Herz: Oft sind es Hilfsgrößen, die man dem präsentierten Bild wahrscheinlich nicht entnehmen würde und meist auch keinen „primären“ Einfluss auf das Bildergebnis haben. Ich erinnere nur an den vielzitierten Leica-Look, den wir vielleicht nur dann glauben wahrzunehmen, wenn aus berufenem Munde darauf hingewiesen wird. Dazu hatte ich kürzlich bei einem Kollegen auf seinem Instagram-Account den Titel „Leica Fotograf“ gelesen und dachte mir: „Gut, dass er es dazu geschrieben hat! Den Bildern hätte ich es nicht entnommen.“

Vielleicht ist es auch symptomatisch für die Schnelllebigkeit von Social Media, und dem Bedürfnis sich von der Masse als „Besonders“ abzuheben um sichtbar zu werden. Zumindest beobachte ich, dass Fotografen, die mit ihren Ergebnissen unzufrieden sind, eher über den Kauf einer neuen Kamera oder eines aus berufenem Munde empfohlenen Objektivs nachdenken, als über ihre Fotografie. Das finde ich persönlich sehr schade. Wäre es da nicht vielleicht zielführender sich zu fragen: „Warum fotografiere ich?“ oder „Wofür begeistere ich mich besonders?“ Aber wie entscheidend sind denn diese technischen Merkmale für ein „gutes Bild“? Darauf, was für mich ein gutes Bild ist, komme ich gleich noch. Zu diesen Gedanken hat sich mir eine essenzielle Frage aufgedrängt, der ich nachspüren möchte:

Werde ich über die Kameratechnik zu einem besseren Fotografen?

Dazu habe ich mich einmal umgeschaut, wie ich es in anderen Bereichen wahrnehme. Ich denke nicht, dass ich zum besseren Schriftsteller werde, wenn ich für mein Werk ein besonderes Papier oder Schreibgerät verwende. Gleiches gilt sicherlich für die Malerei. Und ich habe noch nie von einem Sternekoch beim Servieren gehört: Dieses Soufflé ist mit einer Tefal 7900 oder einem besonderen Kochgasgemisch entstanden. Ist es in der Fotografie vielleicht anders? Mir ist auch in der Fotografie kein Werk bekannt, das über Generationen begeistert und dies über eine besondere Technik oder ein cooles Preset erzielt hätte. Auch wenn sogenannte „Markenbotschafter“ uns dies gerne glauben machen wollen.

Was ist es dann, was das Bildergebnis primär beeinflusst?

Bilder die ein Publikum nachhaltig berühren, tun dies nicht, weil sie einen coolen Look haben. Ein cooler Look kann eine kurze Begeisterung auslösen, wenn aber der Bildinhalt es nicht schafft mich zum Verweilen einzuladen, bleibt es bei einem kurzen Impuls. Einer schicken Verpackung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Nicht selten werden Look und Bildinhalte in einen Topf geworfen.
Ich denke, Bilder sollten den Bildbetrachter berühren, bestenfalls Fragen provozieren und ihn einladen sich eigene Gedanken zu diesem Bild zu machen. Sein Kopfkino anregen. Zum Allgemeinplatz „ein gutes Bild“, an dieser Stelle meine ganz subjektive Sicht, wann mir eines meiner Bilder besonders gefällt. Kriterien wären u. a.:

  • Drückt das Bild meine Sichtweise aus?
  • Entspricht es meinen Wünschen zum Zeitpunkt der Aufnahme?
  • Befriedigt es mich kreativ?
  • Ruft es Emotionen hervor?
  • Lädt es zu Fragen ein, wie z. B.: „Was beschäftigt sie grade. Was war davor oder was passiert danach?“

Bei all diesen Fragen geht vielmehr um die Bildinhalte, als die Verpackung. Wenn es jetzt um die Frage geht: „Wie werde ich zum besseren Fotografen?“ hat es mir sehr geholfen mich zu fragen: „Was möchte ich mit diesem Bild erreichen?“ Wenn ich weiß, was ich mit meinen Bildern erreichen möchte, kann ich hinterfragen was diesen noch fehlt. Wenn sich die Antwort darauf allerdings nur auf technische Kriterien beschränkt, wie: Ein cooler Cyanbraun Look oder eine altes Vintage Objektiv, sollten wir uns ernsthaft Gedanken machen, ob wir uns nicht in eine Sackgasse hinein bewegen.

Das nächste Waschmittel wäscht weißer

Wenn nur technische Standards der Maßstab für gute Bilder wären, gäbe es auch keine weiße Wäsche! Denn das nächste Waschmittel wäscht weißer. Und dies Jahr für Jahr, schon seit über 100 Jahren Waschmittelwerbung. Aber noch einmal zu der Frage: „Was beeinflusst den Bildinhalt?“

Da mein Genre die Porträtfotografie ist, möchte ich es dazu einmal beleuchten. Wenn wir ein Bild betrachten, sehen wir Gestaltungselemente wie: Assessors, Perspektive, Unschärfe, Schnitt, Licht usw. Alles Elemente, für die ich mich bewusst entscheiden muss. Und vor allem sehen wir was zum Zeitpunkt des Auslösens zwischen zwei Menschen (der Muse und dem Fotografen) passiert, auf der Ebene von Emotionen, Empathie und Vertrauen. All diese Elemente sowie die dazugehörigen Entscheidungen kann mir die Kameratechnik nicht abnehmen. Wenn wir einmal die Grundannahme akzeptieren, dass zum Zeitpunkt des Auslösens alle primären Bildinhalte festgeschrieben sind bedeutet es auch, dass der Handwerkliche Prozess im Anschluss diese nicht mehr beeinflussen wird, sondern lediglich das vorhandene akzentuiert oder die Bildaussage unterstützt. Wenn diese für den Bildinhalt entscheidenden Aspekte nicht matchen, wird mich auch das Mysterium eines Leica Looks oder ein cooles Preset nicht retten. Wobei ich persönlich glaube das der Leica-Look mehr ein romantisches Gefühl als technisch nachweisbar ist. Ihr mögt es mir nachsehen und bitte jeder nur einen Stein.

Gleiches gilt für den handwerklichen Entwicklungsprozess in der Analog-Fotografie. Die Analogfotografie erlebt grade wieder eine Renaissance. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Motive analog zu fotografieren, immer zum gewünschten Ergebnis führen. Ich denke da ist der Wunsch schon mal der Vater des Gedankens. Es ist schlicht ein anderer Weg zum Ergebnis.

Ich möchte den Anteil der eingesetzten Kameratechnik in keiner Weise „kleinreden“. An dieser Stelle bitte richtig verstehen. Natürlich ist Kameratechnik unabdingbar um ein Bild zu erstellen. Sicherlich gibt es auch technische Rahmenbedingungen. Um nicht unscharf zu werden, möchte ich externe Vorgaben, z. B. durch den Kunden, einmal außen vorlassen. Ich kann durch den gezielten Einsatz akzentuieren und darüber den Bildbetrachter darin unterstützen, die gewünschte Bildaussage besser wahrzunehmen. Sei es den Blickwinkel über eine bestimmte Brennweite, den Freistellungsgrad, die Dynamik des Looks, einen veränderten Schnitt usw. Aspekte, die ich selbstverständlich auch in meiner Fotografie nutze! Ich steuere z. B. bewusst den Blickwinkel auf das Motiv über meine 50mm Festbrennweite und erziele über meine bevorzugte Blende von f 1.4 die gewünschte Freistellung. Dazu kurz am Rande: Ich verwende die Offenblende nicht vorrangig für ein tolles Bokeh. In erster Linie ist mir die Freistellung zum Hintergrund wichtig. Ich möchte, dass sich der Hintergrund, sei es eine Hafenkulisse oder ein möblierter Raum, zur Orientierung in die Geschichte einbindet (Storytelling), aber nicht vom Hauptmotiv ablenkt! Das damit verbundene Bokeh ist ein angenehmer Nebeneffekt. Aber all diesen Elementen setzten eine bewusste Entscheidung voraus. Hier gilt für mich „form follows function“. Der Look, Bokeh, (place any) muss dem Bildinhalt dienen und sollte nicht zum Selbstzweck werden, wie es der eine oder andere selbsternannte „Bokehschist“ gerne mal propagiert. Dies sind alles Faktoren die ich als Eingangsvoraussetzung sehe um mit der kreativen Arbeit zu beginnen. Es ist aber nicht ausreichend und es führt nicht zwangsläufig zu einem guten Ergebnis. Dieser Gedanke führt mich zur nächsten Frage:

Welchen Stellenwert hat denn dann die Kameratechnik in der Fotografie?

Zum einen denke ich es ist das was es ist: Ein Werkzeug. Und egal in welches „Markenlager“ ich schaue, fast jedes System ermöglicht es heute für unterschiedliche Aufgaben und Standpunkte handwerklich einwandfreie Abbilder zu schaffen. Und zum Beherrschen der erforderlichen Technik gehört dann, wie auch in jedem anderen Handwerk, üben, üben, üben.

Es sind die Vorlieben, die es zu achten gilt

Auch wenn es etwas plump klingen mag, geht es bei der Wahl der Kameratechnik nicht um die persönliche Entwicklung, sondern wie es bei Werkzeugen und Arbeitsweisen so ist, gibt es immer persönliche Vorlieben. Und genau hier sollte eine Differenzierung stattfinden. Ich denke jeder sollte die Technik und den Workflow einsetzen mit der er sich im Prozess am sichersten und wohlsten fühlt, um seine Vorstellungen zu transportieren. Und ihm Freude bereitet oder auch inspiriert. Schließlich sollte es unsere Begeisterung unterstützen und nicht zu einem notwendigen Übel werden. Dies beginnt bereits mit der Griffigkeit des Kamera-Bodys. Mit dem primären Ziel, sich auf das wesentliche fokussieren zu können, die Bildinhalte. Und wenn mich die Ästhetik z. B. einer Leica M besonders anspricht und motiviert, dann ist dies ein absolut legitimer Grund, zu diesem Modell zu greifen.

Dazu gehört es auch Barrieren zu erkennen und zu beseitigen. Hierzu einmal ein einfaches Beispiel aus meinen Workshops. Ich erlebe des Öfteren, dass Teilnehmer z. B. eine Budgetlinse einsetzen, deren Schärfe sie nicht vertrauen. Beim Life-Shoot beobachte ich dann, wie die stetige Erwartung unscharfer Bilder sie daran hindert, sich frei dem kreativen Prozess zu widmen oder den feinen Vertauensdraht zum Model aufrecht zu erhalten. Einfache Lösung ist sich dann um eine Linse zu kümmern, mit der ich mich sicher und damit auch wohl fühle. Wieder mit dem Ziel mich aufs wesentliche zu konzentrieren. Genau hier hat die Kameratechnik ihren Stellenwert.

Es bleibt aber immer noch die Grundvoraussetzung um mit der kreativen Arbeit starten zu können. Wenn aber die Technik zum Selbstzweck für „bessere“ Fotografie, persönliche Entwicklung als Fotograf, place any erhoben wird, denke ich, dass hier „Das Pferd von hinten aufgezäumt wird.“ Am Ende des Tages muss das Bild mit seinem Inhalt das Publikum überzeugen, egal wie es entstanden ist. Da gibt es viele verschiedene Wege, Prozesse und Vorlieben, die gleichermaßen zu einem guten Ergebnis führen.

Auch ein Grund, der mich dazu bewogen hat, meinen Workshop neu zu konzipieren. Ich habe mir Gedanken gemacht, was es denn tatsächlich ist, warum ein Bild mich berührt und ein anderes eben nicht. In meinen Workshops und Einzelcoachings „Porträtfotografie mit Seele“ fokussiere ich bewusst auf die Elemente, die auf der Ebene der Bildinhalte zu einem „guten Bild“ führen. Was genau sind die Zutaten dazu, dass mein Bild den Bildbetrachter berührt und ihn zum Verweilen einladen um sich eigene Gedanken zu machen. Sein Kopfkino anregt. Dazu gehört auch der Bereich der Soft-Skills zur Kommunikation, die für mich ein weiteres Essential zum Bildergebnis ist. Meine Workshops findet ihr HIER und einen sehr ausführlichen Beitrag zum Thema Modellkommunikation findet ihr HIER

In diesem Sinne euch eine gute Zeit

Euer Boris