Mai 2022

NEWSLETTER #02 // Mai 2022

Willkommen bei der zweiten Ausgabe meines Newsletters, den ich ca. 10mal im Jahr an euch versende.

Industriefenster-Hack

Wer mich und meine Arbeiten kennt weiß, dass ich mit Wonne meine möblierte On-Location mit alle seinen Facetten ausreize. Böse Zungen behaupten ja, ich bin einfach nur zu faul um aus dem Haus zu gehen. Tatsächlich reizt es mich mit derselben Location durch „einfache“ Kniffe unterschiedlichste Bildstimmungen und Assoziationen zu transportieren. Den Beitrag findet ihr HIER

How I do it // Modell-Kommunikation

In diesem Beitrag möchte ich euch teilhaben lasse, welchen Stellenwert die Kommunikation mit den Menschen vor der Kamera für mich und meine Bildsprache hat. Welche Elemente ich dazu einsetze, die „Dos and Don’ts“ für stimmungsvolle Bilder und wie unser unbedachtes Verhalten dazu führen kann, dass die Stimmung kippt. Zum Beitrag geht es HIER

Newsticker

  • Nur noch 12 Exemplare von “Seven Days in Paradise” erhältlich. Wer demnächst seine eigene Shooting-Tour plant, für den könnte „Seven Days in Paradise“ sowohl Inspiration als auch Ratgeber für die Planung und Umsetzung sein. „Seven Days in Paradise“ ist eine Sonderausgabe zu meiner Shooting-Tour nach Fuerteventura. Mehr dazu gibt es HIER
  • Ich war übrigens im Mai auf der achten PHOTO POPUP FAIR in Düsseldorf. Es war sehr inspirierend die Arbeiten von rund 50 sehr unterschiedlichen Fotokünstlern nicht nur zu betrachten, sondern auch mit dem einen oder anderen über seine Arbeiten zu sprechen. Ich finde Events, wie diese, unglaublich wichtig um auch einmal über den eigenen Tellerrand zu schauen. Besonders habe ich mich darüber gefreut, auch einige meiner “Leser” persönlich zu treffen. Danke für die tollen Gespräche.
  • Immer mehr Fotograf*innen wagen den Schritt ihre Arbeiten in gedruckter Form zu publizieren. Das feiere ich fett!!! Ebenso freue ich mich, dass mein speziell dafür entwickeltes Coaching-Format so gut angenommen wird. Es macht mir unglaublich viel Freude euch an eurem individuellem Ausgangspunkt abzuholen und meine Erfahrungen aus mittlerweile zehn Publikationen, von der Bildidee bis zum druckfrischen Werk, mit euch zu teilen. Wenn ihr selbst damit liebäugelt, euch aber noch unsicher bei der Umsetzung seid könnte das Format auch für euch interessant sein um Handlungssicherheit zu bekommen. Es gibt Fehler, die muss man nicht selber machen. Mehr dazu HIER
  • Ich befinde mich grade in den Startlöchern für die Planung eines kleines Events in meinen Galerie- und Arbeitsräumen, dass ich gerne dieses Jahr noch umsetzen möchte. Ich werde unter dem Motto “Galeriegespräch” Einblicke hinter die Kulissen meiner Arbeit und besonderer Projekte geben, Es wird auch eine Bilderausstellung mit meinen Arbeiten geben. Vielleicht auch verbunden mit dem Release der Ausgabe 11 meines FineArt-Magazins. Näheres gibt es in einem der nächsten Newsletter

Selected Works

Dockside // Ich möchte euch hier gerne eine Bildstrecke mit Lea zeigen. Übrigens, wenn ich bestimmte Bildideen im Kopf habe schau ich auch mal nach passenden Stücken, wie z. B. diese Bluse, um sie meinen Fundus zuzuführen. Bei dieser Bluse finde ich die Kombination aus Transparents und klaren Linien besonders spannend.

Buchempfehlung

Heute möchte ich euch das Buch “Die Seele der Kamera” von David duChemin vorstellen. Fast jede Kamera ist heute in der Lage ein technisch einwandfreies Abbild zu machen. David duChemin beleuchtet, was bei den tausenden täglich veröffentlichter Bilder die wenigen ausmacht, die uns wirklich erreichen, die wir nicht nur wahrnehmen, sondern die uns berühren, packen, faszinieren. David duChemin zeigt in seinem Buch, illustriert mit seinen Fotografien, wie solche Fotografien entstehen, und welche Qualitäten der Fotograf für eine gelingende Fotografie entwickeln sollte. Jenseits des Handwerklichen spielen dabei Begriffe wie Konzept, Disziplin, Achtsamkeit, aber auch Empathie und Authentizität die entscheidende Rolle. Die unterschiedlichen Perspektiven und Betrachtungsweisen, die David duChemin grade jenseits der Technik aufzeigt, finde ich trotz der einen oder anderen textlichen Länge sehr! inspirierend und bereichernd. Für Fotograf*nnen die überwiegend an den handwerklichen und technischen Aspekten der Fotografie interessiert sind, ist dieses Buch vielleicht nicht die beste Wahl.

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Wenn ihr besondere Anregungen, Themen oder Fragestellungen zu meiner Fotografie habt, schreibt es mir sehr gerne! per E-Mail. Vielleicht greife ich euer Thema ja bereits im nächsten Newsletter auf.

Danke für eure Aufmerksamkeit und euch eine gute Zeit

Euer Boris

 

Modell-Kommunikation oder der „Pudelwohlfühl-Faktor”

In diesem Beitrag möchte ich euch an meinen Gedanken teilhaben lasse, welchen Stellenwert die Kommunikation mit den Menschen vor der Kamera für mich und meine Bildsprache hat. Welche Elemente ich dazu einsetze, die „Dos and Don’ts“ für stimmungsvolle Bilder und wie unser unbedachtes Verhalten dazu führen kann, dass die Stimmung kippt.

Ich möchte mit meinen Bildern berühren, zum Nachdenken anregen und Empathie im Herzen auslösen. Das Beherrschen der Kamera ist für mich bestenfalls der erste Schritt dazu, von vielen. Wenn ich als Fotograf Bilder mit „Seele“ entstehen lassen möchte, muss sich der Mensch vor der Kamera pudelwohl fühlen, um sich zu öffnen. Stimmung schlägt Perfektion. Um dies zu erreichen, schlage ich dem Bildergebnis 85% der Stimmung am Set zu. Dazu gehört für mich alles was, im Umgang, sprich der Kommunikation, aber auch meiner persönlichen Haltung zu dem Menschen vor der Kamera, den „Pudelwohlfühl-Faktor“ unterstützt. Was wir auf einem Bild sehen ist, was zum Zeitpunkt des Auslösens zwischen zwei Menschen auf der Beziehungseben abläuft. Wenn da etwas nicht passt, lässt sich dies durch keine Nachbearbeitung der Welt reparieren. Höchstens durch laute Looks überspielen, was aber oft nicht zu besseren Ergebnissen führt.

Auch wenn ich mich mit dem Begriff Modell, im Zusammenhang mit den Menschen die sich mir anvertrauen, schwertue werde ich ihn hier der Einfachheit halber in der weiblichen Form verwenden. Der Begriff Modell passt einfach nicht zu der Art, wie meine Bilder entstehen. Nicht zu der Stimmung aus Empathie und Vertrauen, ohne die es diese authentischen Augenblicke nicht geben würde. Modell suggeriert Modellbusiness. Es geht um einen Job. Dies ist weit entfernt von meiner Art zu arbeiten. Dazu gehört auch mein Credo „Augenhöhe“. Wie erfahren oder unerfahren jemand ist, spielt in dem Augenblick in dem ich mich für eine Zusammenarbeit entscheide, keine Rolle. Man trifft sich auf Augenhöhe, um etwas Gemeinsames entstehen zu lassen.

Diese Bildstrecke mit Anita ist aktuell aus diesem Monat. Da Anita hier das erste Mal “so richtig” vor der Kamera steht, denke ich passen die Bilder gut zu diesem Thema.

Kommunikation vs. Vertrauen

In der Kommunikation geht es immer auch um Vertrauen. Was ist überhaupt Vertrauen? Vertrauen ist das unbestimmte Gefühl das ich sicher und geborgen bin, dass mir nichts Schlimmes passieren wird! Ziel ist es, etwas vereinfacht ausgedrückt, dass das Modell sich in jeder Sekunde gut fühlt und weiß, dass sie nicht das Problem ist. Um es etwas greifbarer zu machen ein kleines Beispiel, wie wir ganz unbemerkt diesen zarten Faden zerreißen: Der eine oder andere von euch kennt vielleicht die Situation in der man grade versucht ein unerklärbares Problem mit der Kamera zu lösen. Wir bemerken vielleicht nicht, dass uns die Einstellung auf Auto-ISO vom letzten Shoot dazwischenfunkt oder wir sind mit der Lichtsetzung unzufrieden (place any). Und wir in diesem nach innen gekehrtem Zustand, überhaupt nicht realisieren, dass der Mensch vor der Kamera immer unsicherer wird. Es gibt ja kein Grund über das technische Dilemma zu sprechen, sie sieht ja das ICH ein Problem habe. NEIN! Genau hier liegt des Pudels Kern. Alles was sie sieht ist ein Fotograf, der unzufrieden ist. Sie wird das Kommunikationsvakuum aber im Zweifel füllen mit „Er ist unzufrieden mit mir und er so unzufrieden, dass er nicht einmal Bilder zeigt.“ Ein ähnliches Vakuum erzeugen wir, wenn wir kommentarlos Bilder machen, keine Ergebnisse zeigen oder kein Feedback geben. Ihr lasst sie in diesen Augenblicken im Regen stehen. Das Verhalten ist übrigens grade bei den stilleren Kollegen verbreitet, die eher ökonomisch mit Sprache umgehen. Nichts gesagt ist genug gelobt! Ihr sollt dann auch nicht zum Entertainer werden. Die Lösung ist schlicht zu sprechen, über den Status zu informieren. Dies in eurer ganz individuellen Art. Ich sage dann meist etwas in der Art: „Ich kämpfe grade mit meiner Technik und mache Nerd-Talk mit meiner Cam.“ Die Reaktion ist dann meist immer die Gleiche, sie ist erleichtert, lacht vielleicht auch.

Warum neigen Frauen im Zweifel zu dem Gedanken nicht zu genügen? Ein Grund dafür ist sicherlich die Sozialisierung von Frauen. Frauen bekommen von Kindheit an über die Medien ein unerreichbares und vor allem unreales Schönheitsideal gezeigt, mit dem sie sich bewusst oder unbewusst tagtäglich vergleichen. Unterschwellig etabliert sich zwangsläufig die Überzeugung vielleicht nicht zu genügen. Was heißt dies konkret in der Kommunikation? Jedes Signal von Fotografenseite, das Interpretationsspielraum in diese Richtung lässt, wird ggf. falsch gedeutet. Das beginnt mit „Nicht sprechen“, über den skeptischen Blick auf dem Kameradisplay oder einer unbedachten Wortwahl. Die gute Nachricht! Wenn ihr euch dahingehend sensibilisiert, werdet ihr immer öfters bemerken, wann bzw. wie ihr dies auslöst und ihr könnt zeitnah reagieren und es für das Modell auflösen. Sprecht es einfach laut aus, woran ihr grade hängt. Ihr werdet überrascht sein. Sobald ihr es aussprecht, wird sie beruhigt sein und etwas in der Richtung sagen wie: „Ah, alles gut!“

Authentizität in der Bildsprache kommt auch von selbst authentisch zu sein

Seid immer Authentisch. Wenn ihr es nicht seid, wie wollt ihr es von eurem Gegenüber erwarten. Versucht nicht jemand anders zu sein oder Dinge zu überspielen. Es wird immer auffallen, zu Mistrauen führen und falsch gedeutet werden. Wenn ihr zum Beispiel ein Set komplett verhauen habt, überspielt es nicht. Sie wird eure Unzufriedenheit spüren, es aber auf sich beziehen. Ich spreche da übrigens aus eigener Erfahrung! Viele der Hinweise in meinen Beiträgen und Coachings gebe ich in dem vollen Bewusstsein, dass ich diese Fehler selbst ALLE schon gemacht habe. Ich hatte in den Anfängen z. B. Skrupel zu offenbaren, dass ich in der Euphorie, ein komplettes Set verhauen habe. Man will ja nicht als Anfänger dastehen und ihr unnütz die Zeit stehen. Schlau wie ich war hatte ich es dann überspielt mit: „Ich, probiere noch mal eine bessere Einstellung.“ Ich hätte es besser wissen sollen. Natürlich hatte sie meine Unzufriedenheit bemerkt und dass ich ihr keines der Bilder gezeigt habe, die ich mir kurz zuvor auf dem Display angeschaut habe, hat es noch verstärkt. Man kann nicht „NICHT kommunizieren“! Wenn ihr hingegen offen sagt: „Sorry, das Set habe ich grade total verhauen, wir müssen da noch mal ran.“ wird sie erst einmal beruhigt sein und entspannen, da sie nicht das Problem ist. Zum anderen macht es euch sympathisch, weil sterblich und nahbar! Denkt einmal an eure Vorgesetzten. Für welche wärt ihr eher durchs Feuer gegangen: Die „perfekten“ ich mache keine Fehler-Typen oder die, die mit ihren Fehlern offen umgehen konnten und es auf ihre Kappe genommen haben? Na? Wie gesagt: es geht immer auch um Vertrauen!

Modell-Kommunikation beginnt beim allerersten Kontakt

Die Kommunikation beginnt übrigens bereits beim (An-)Schreiben. Gebt so viele Informationen zu Idee, Stimmung, Ort und auch Euch Selbst preis, dass das Modell euch einschätzen kann. Einschätzen kann, was für ein Typ ihr seid und sich bildhaft vorstellen kann, wie der Tag, das Shooting verläuft und welche Art von Bildern entstehen werden. Dies gilt besonders, wenn ihr noch kein aussagefähiges Portfolio habt, das konsistent ist. Wenn ihr dies nicht beherzigt kann das Modell die Situation nicht einschätzen, es bleiben offene Fragen. Der Gedanke, sie kann ja nachfragen wird euch nicht helfen. Bei dem heutigen Overflow auf Social Media führen fehlende Infos meist zum Haltepunkt. Sie wird sich nicht melden. Dies hat meist nichts mit charakterlichen Eigenschaften des Modells zu tun, sondern schlicht mit den heutigen Anforderungen und dem Zeitgeist der jüngeren Generation. Die Kommunikation ist unterbrochen. Gedanken, wie: „Ja, wenn die Kommunikation schon beim schreiben stockt, wird es eh nichts…“ sind da oft fehl am Platz, da ihr selbst Teil der missglückten Kommunikation seid. Bevor ich da in eine „Huhn- und Ei-Denke“ rutsche, gilt für mich: „Recht haben wollen, oder glücklich sein.“ Ich entscheide mich in den meisten Fällen für letzteres und hake mit zusätzlichen Informationen nach. Hierbei ist es hilfreich, wenn ihr auf allen Kanälen konsistent und bestenfalls mit Klarnamen auftretet, euer Portfolio der Anfrage entspricht und euer Instagram-Profil auf sichtbar geschaltet ist. Wenn ich vertrauen erwarte muss ich transparent und als Mensch greifbar, einschätzbar sein. Jedes Fehlsignal würde wieder zu Misstrauen führen und die Kommunikation unterbrechen. Nicknamen wie, aktdieter66 oder lichtfänger66 sind da eher schwierig.

Sprecht die Aufnahmebereiche vorher so genau wie möglich ab. Grade wenn ihr auch in Unterwäsche oder Aktbereichen shootet. Bestenfalls mit Beispielbildern. Es geht wieder um Vertrauen. Sie weiß schon vorher, was für Bilder entstehen werden. Gleiches gilt natürlich für die Abstimmung, welche Art von Bildern in welcher Form veröffentlicht werden. Eine Abstimmung wie: „Von Porträt bis Akt, alles kann, nichts muss. Wir schauen dann einfach beim Shoot.“ ist meines Erachtens nach so ziemlich die schlechteste Art und Weise der Abstimmung. Jeder liest, was er lesen möchte und die Hoffnung stirbt zuletzt. Etwas überzeichnet: Der Fotograf hofft darauf seine Bildideen im Aktbereich umzusetzen das Modell möchte eigentlich nur Fashionbilder. Beide Seiten werden enttäuscht sein! Und es bleibt ein ungutes Gefühl beim Modell. Im Vorfeld, bei der Anfahrt und während des Shoots dazu, wie denn die Erwartungen des Fotografen tatsächlich sind. Und dieses ungute Gefühl werden wir dann auch auf den entstandenen Bildern sehen. Ich erinnere: Vertrauen ist das unbestimmte Gefühl das ich sicher und geborgen bin, dass mir nichts Schlimmes (ungewolltes) passieren kann!

Die Macht der Voice Massage. Wenn ich auf Social Media jemanden entdecke, die zu meinen Bildern passt, schreibe ich mit den Eckwerten zu meiner Idee an. Kommt ein Kontakt zustande sende ich meist als nächstes weitere Infos per Voice Massage. „Wie ich dann deine sympathische Stimme gehört habe, dachte ich: Alles gut.“

Warming-up

Auch wenn ihr gefühlt unter Zeitdruck steht, nehmt euch ausreichend Zeit für das gegenseitige Kennenlernen. Gebt dem Modell die Möglichkeit anzukommen, sich zu orientieren um ganz bei sich zu sein. „Ich schnacke immer erst zwei Stunden mit dem Modell bevor ich zur Kamera greife.“ ist für mich allerdings nicht der richtige Ansatz. Dies wäre mir zu methodisch und dogmatisch! Es setzt voraus, dass alle Menschen gleich sind. Für mich ist es wichtig zu spüren, was ich und sie als Warming-up brauchen. Es gibt Menschen, da spüre ich sie brauchen Zeit und wir plaudern dann tatsächlich eine Stunde oder mehr. Andere sind vielleicht eher zielorientiert und ungeduldig mit sich und entspannen erst, wenn das Shooting startet um einzuschätzen wie es sich anfühlt und wie die Ergebnisse ausschauen! Jeder ist anders.

Ich nutze für das Warming-up gerne auch die Klamottenauswahl. Es ist eine ungezwungene Situation, da man an etwas Gemeinsamen arbeitet. Sie kann mich auch einmal in Ruhe beobachten, während ich grade verzweifelt versuche aus 30 Teilen einige wenige aber passende Kombinationen zusammen zu stellen um den Überblick zu behalten. Und es gibt die ersten gemeinsamen Geschichten, während wir über das eine oder andere Kleidungsstück lachen. Haben ist bekanntlich besser als brauchen.

Modell-Führung

Die Modell-Kommunikation beinhaltet immer auch die Führung und Unterstützung, soweit notwendig, während des gesamten Shoots. Wenn es um die Modell-Führung geht, arbeite ich immer mit Stimmungen und führe über Gesten anstelle von sachlichen Anweisungen. Warum betone ich dies? „Schau mal nach links.“ Von wem ausgesehen? „Geh mal einen halben Meter vor.“ (place any). Es sind alles skalierende Sachinformationen, die sie aus dem Fühlen herausreist, weil ihr sie auf die Sachebene zieht um eine „Aufgabe“ zu lösen. Wenn ich sie in eine Richtung orientieren möchte, deute ich es mit einer entsprechenden Handbewegung oder Geste durch den Raum an, der sie intuitiv folgen kann. Ich arbeite auch gerne mit Bildern begleitet mit einer Handbewegung, wie: „Bleib in dieser Pose und dreh, als wenn ich dich auf einen Teller stehend in diese Richtung drehen würde.“ Oder ich lasse ihren Blick meiner Handbewegung folgen, bis die Blickrichtung für mich stimmig ist. Schau mal in Richtung Wand könnte problematisch werden. Besser schau einmal auf das Bild an der Wand oder diesen Baum da unten (durchs Fenster) auf der Wiese. Wenn ihr die Blickrichtung orientiert, sucht etwas was sie fokussieren kann, damit der Blick nicht ins Leere geht.

Kamera-Display Feedback

Zeigt regelmäßig Bilder der einzelnen Settings. Es ist für das Modell sehr wichtig zu sehen, wie sie auf den Bildern wirkt um entspannt weiter zu shooten, oder etwas zu korrigieren. Umso sicherer geht sie für sich in das nächste Set. Übrigens tut ihr euch dabei einen ebenso großen Gefallen. Zeigt bei jedem neuen Setting das Einstellbild. Hier seid ihr nicht unter Ablieferdruck. Sie wird euch aber genau sagen, was nicht passt oder automatisch ihre Pose korrigieren. Ein Klassiker: „Du Boris, soll das mit dem Haargummi am Handgelenk so?“ während sie es bereits abstreift und gleichzeitig eine Strähne, die mir gar nicht aufgefallen ist, aus dem Gesicht wischt. Das funktioniert auch, wenn ihr eine Pose unvorteilhaft findet. Zeigt einfach das Bild ohne Bewertung!!: „Was meinst du?“ Frauen haben ein natürliches Empfinden für Ästhetik, besonders wenn es um den eigenen Körper geht und werden es in den meisten Fällen automatisch korrigieren. Da wird bereits schon, während sie das Bild betrachten, das Bein umgesetzt und es passt. Ihr werdet es per sachlicher Anweisung nie stimmig korrigieren können. Wenn dann die Handhaltung euren Vorstellungen entspricht, passt wahrscheinlich der Rest nicht mehr. Überlasst es dem Körpergefühl des Modells, gebt ihr Zeit sich stimmig einzugrooven und holt euch dann eure Bilder ab. Wenn etwas partout nicht so klappt, wie ihr es im Kopf habt, lasst los und geht in das nächste Setting.

Die Unsicherheit des ersten Settings

Grad der Start, beim aufeinander Eingrooven, ist mit anfänglicher Unsicherheit auf beiden Seiten verbunden. Wenn notwendig, versuche ich sie beim Einstieg in das erste Setting sicher zu begleiten. Ich stelle mich zu Beginn meist auf die Position, auf der ich sie gerne hätte und lade sie dann ein mich abzulösen. Wenn ihr noch beim „Lichteinstellen“ seid, signalisiert es ihr. Ich sage dann meist: „Ich mache erst einmal Nerd-Talk mit meiner Kamera, du brauchst noch nichts zu machen.“ Es macht keinen Sinn sie bereits mit voller Energie in den Shoot gehen zu lassen, wenn ihr noch gar nicht wisst ob ihr von der Lichtsetzung her überhaupt an der Position starten würdet. Wenn sie noch unsicher ist wissen ihre Hände meist nicht wo sie hinsollen. Dies erkennt ihr daran, dass sie ein wenig hilflos mit beiden Händen parallel auf und ab sucht. Das ist der Punkt, wo ihr unterstützen müsst. Ziel ist es, dass sie eine lässige Pose findet mit der sie sich wohl fühlt, vielleicht auch typisch für sie ist, wenn sie bei einer Freundin in der Küche stehen würde. Beispielsweise eine Hand lässig in die Hüfte. Sobald eine Hand für sie stimmig ist, greift das Körpergefühl und die zweite Hand ist vergessen. Übrigens ist es mir egal, ob ich die Pose mag oder nicht. Es geht um einen entspannten Einstieg und Selbstvertrauen beim „Posing“.

Nicht-Posing

Wenn ich übrigens den Begriff Posing verwende, bezieht es sich lediglich auf die natürliche Körperhaltung, Blick usw. Nicht gemeint ist, dass mechanische abspulen einstudierter Posen. Das sind Prozesse, die ich dann unterbreche, weil sie meist off-topic, knapp an authentisch vorbei gehen. Ich sage immer: “Macht oder erzwingt nichts für die Kamera.” Dies mag für andere Genres sicherlich gut funktionieren, für meine Bildsprache ist es kontraproduktiv. Dazu gehört auch, dass ich nicht von jedem Modell die gleiche gestreckte Lieblingspose an der Wand erzwinge. Der Standardspruch: “Wenn es weh tut wird es gut.” gilt nicht für jedes Genre!

Ich arbeite von einem „Startpunkt“ oft im Flow mit natürlichen Bewegungsabläufen, die einer Funktion folgen. Also Sinn machen und dadurch stimmig wirken. Ein einfaches Beispiel: „Halte die Hände mal an deine geöffnete Bluse“ führt eher zu verunglückten Posen, die oft nicht stimmig sind. Anders wäre: „Knöpfe bitte einmal deine Bluse auf und schau dabei auch auf deine Hände, so wie du es normalerweise auch machen würdest, wenn keine Kamera da ist. Ihre Bewegung folgt einer Funktion und wird darüber automatisch stimmig, ohne dass sie sich Gedanken über „Posing“ machen muss. Oder: „Halte den Becher in den Händen oder am Mund.“ wird zu anderen Bildergebnissen führen, als: „Halte den Becher als wolltest du die die Hände daran wärmen.“ oder „Trinke einen Schluck aus dem Becher, während du aus dem Fenster schaust.“

Ich arbeite auch gerne mit Moodbildern, hauptsächlich um die gewünschte Stimmung zu transportieren. Aber auch um ihr den intuitiven Einstieg in ein Setting zu erleichtern. Bilder sagen mehr wie tausend Worte. Es geht mir aber nicht um das genaue Nachstellen dieses Bildes. Nach dem Einstieg in eine bestimmte Pose lasse ich sie diese im Flow weiterentwickeln! Ziel ist es ihr, soweit notwendig, einen guten Einstieg zu ermöglichen! Läuft! Übrigens gehört auch das Auslösegeräusch zur Kommunikation. Bei einer lautlosen Auslösung fehlt dem Modell das Signal, dass es weitergeht. Es ist wie der Takt beim gemeinsamen Tanz. Auch wenn ihr denkt: „Es läuft doch.“, sie wird unsicher werden, da auch hier die Kommunikation unterbrochen ist. Auf den „coolen“ Schärfe-Piepton dagegen solltet ihr verzichten, er lenkt nicht nur ab sondern hat auch keinen Mehrwert. Stellt eure Cam einfach auf Schärfepriorität und gut.

Authentizität vs. Stimmung

Es geht mir immer auch um Authentizität, um Stimmigkeit. Dies betrifft sowohl die Körperhaltung, Blick aber auch die gewünschte Stimmung während eines Settings. Damit etwas vom Bildbetrachter als stimmig und nicht aufgesetzt wahrgenommen wird, muss das Modell diese Stimmung aber auch fühlen und nachspüren können. Alles was sie hindert in die gewünschte Stimmung hinein zu gehen oder sie aus dieser herausreist ist kontraproduktiv. Wenn ich innerhalb eines Settings sehr ruhige, melancholische bis traurige Bilder haben möchte, dann sage ich nicht: „Guck mal nachdenklich oder melancholisch oder traurig.“ das ist eine Anweisung die das Modell wieder auf die Sachebene zieht, sie wird versuchen es wie eine Rechenaufgabe richtig umzusetzen. Aber sie wird es deswegen nicht fühlen. Es wird dann im Ergebnis immer aufgesetzt und knapp an stimmig vorbei gehen. Was bedeutet dies für die Umsetzung? Arbeitet auch hier mit Stimmungen und Emotionen, nicht mit rationalen Anweisungen.

Um uns in die gewünschte Stimmung zu bringen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Ich kann sie einladen an etwas Schönes oder Trauriges aus ihrer Wirklichkeit zu denken. Gleichzeitig passt sich auch meine Stimmlage an, ich spreche ruhiger, leiser so wie ich es fühle oder fühlen möchte und ich nutze immer auch die Macht der Musik. Es gibt kein Shoot ohne Musik. Außer wir shooten Outdoor und die Distanz, das Meeresrauschen (place any) lassen es nicht zu. Wer einmal ein Stück von Ludovico Einaudi gehört hat, weiß was ich meine. Ich habe eine eigene Playlist. Bei einem Shoot spielte ein Klavierstück von Ludovico Einaudi. Ich hatte es da tatsächlich überhaupt nicht wahrgenommen. Aber beim gemeinsamen Betrachten der Bilder auf dem Kameradisplay ist uns gleich aufgefallen, wie ihr Ausdruck plötzlich von einer Traurigkeit beseelt war. Die Macht der Musik. Deswegen ist es auch nicht immer die beste Lösung sie, ihre Lieblingsmusik hören zu lassen. Ich habe herausgefunden, dass z. B. Heavy Metal nicht immer zur gewünschten Stimmung passt.

Barriere Technik

Ein Grund, warum ich ausschließlich mit natürlichem Licht, ohne Aufheller und anderem Technik-Equipment arbeite ist, dass ich zwischen mir und dem Menschen vor der Kamera einen natürlichen Kontakt aufbauen und aufrecht halten möchte. Alles was als Barriere dazwischensteht und um das ich mich nebenher noch geschäftig kümmern muss, ist für meine Bildsprache und meine Art des Fotografierens im Flow und in der Bewegung einfach störend und kontraproduktiv. Ich wurde in einem Livestream einmal gefragt, ob ich auch mit Kunstlicht arbeiten würde, wenn es sich genauso wie Tageslicht verhält. Dazu muss erwähnt werden, dass ich für meine Bildsprache und das Storytelling gerne eine möblierte On-Location oder interessante Outdoor-Location mit all seinen Facetten und Tiefen nutze. Auch wenn es im Hintergrund nur eine andeutungsweise Orientierung bietet. Das Leben passiert in meinen Bildern nicht vor einem weißen Studiohintergrund. Sprich: Diese Hypothetische Frage blendet aus, dass ich mehrdimensional in alle Richtungen arbeite und dies dann auch in der gemeinsamen Bewegung, im Flow mit dem Modell. Egal wie diese Lichtquelle ausschauenden würde, sie wäre mir immer im Weg und spätestens beim Schwenk zu Gegenlichtaufnahmen auch im Bild.

Störungen gehen vor

Ein shoot ist von der ersten bis zur letzten Sekunde ein fließender Kommunikationsprozess. Ich shoote im Flow, bestenfalls in der gewünschten Stimmung. Es ist wie ein gemeinsamer Tanz, der uns die Kamera vergessen lässt und bestenfalls einfach nur aus Spaß an der gemeinsamen Arbeit und an wundervollen Bildern besteht. Wenn dies das Ziel ist, heißt es für die Kommunikation: Alles zu tun, was dies unterstützt und alles zu vermeiden was dies blockiert bzw. sofort damit aufzuhören, sobald ihr es bemerkt.

Störungen gehen vor: Wenn ihr eine Störung wahrnehmt, sprecht es an und löst es auf. Die schlechteste Lösung ist es zu überspielen und mehr desselben zu machen. Ich hatte in einem Shoot, ich glaube beim dritten Outfitwechsel das Gefühl, dass das Modell unsicher ist. Meine Auflösende Frage dazu war (mit ehrlichem Wohlwollen formuliert): „Kann es sein, dass du dich mit dem Outfit nicht wohl fühlst?“ Ihre Reaktion darauf war dann auch erleichtert: „Obwohl man weniger sieht, fühle ich mich damit irgendwie zu nackt, ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll.“ Ich dazu: „Brauchst du gar nicht, alles gut! Wir nehmen einfach das nächste Outfit.“

Wenn ihr merkt, dass sie verkrampft, vielleicht der Blick angestrengt wirkt holt sie mit einem kurzen Break wieder raus um locker zu werden. Lasst sie nichts für die Kamera machen. Genauso, wenn ihr merkt, dass ihr euch grade an einer Idee festbeißt, diese aber nicht zufriedenstellend umgesetzt bekommt. Macht auch da einen Break und geht an ein neues Setting. Alles andere führt zu Demotivation und Spannungen. Und letztlich zu „schlechten“ Bildergebnissen. Macht auch regelmäßig Pausen. Ich kenne es aus eigener Erfahrung, wenn ich einmal an einer Idee dran bin finde ich kein Ende. Ich bin dann einfach so Begeistert, dass ich mehr desselben mache. Oder ich merke, dass mir die Ideen ausgehen und ich grade leerlaufe. Wie auch immer, es sind alles gute Anlässe für einen Break damit wir uns wieder sammeln können, um dann mit frischer Motivation in das nächste Setting einzusteigen. Ich nutze die Pause dann auch um zu schauen ob mir eine geplante Idee abhandengekommen ist.

Follow-up abzustimmen

Genauso wichtig ist es, das Follow-up abzustimmen: „Wie geht es nach dem Shoot weiter? Was passiert mit den Bildern nach dem sie aus der Tür raus ist?“ Ich mache nach dem Shoot immer eine sorgfältige Vorauswahl, aus der sowohl Modell als auch ich unsere Favoriten auswählen, siehe auch Bildauswahl. Das heißt, wenn sie sich in den Zug setzt, weiß sie genau, dass sie alle Bilder die für eine Veröffentlichung in Frage kommen, vorab zu sehen bekommt und ggf. auch ein Veto einlegen kann. Sie behält die Kontrolle und das gute Gefühl. Ist dies nicht geklärt oder kommuniziert, wird sie sich vielleicht bereits auf der Rückfahrt fragen: „Hat er vielleicht schon ein „unvorteilhaftes“ Bild aus dem Shoot gepostet?“ Wenn ich vorab etwas posten möchte, zeige ich es ihr einfach vorher und frage.

Die Punkte hier sind u. a. auch ein Teil der Inhalte, die ich in meinen Coachings und Workshops vermittle. Ich hoffe ich habe euch meine Sicht vermittelt und ihr könnt die eine oder andere Anregung für euer nächstes Shooting mitnehmen.

Ich wünsche euch eine gute Zeit

Euer Boris

Industriefenster-Hack

Wer mich und meine Arbeiten kennt weiß, dass ich mit Wonne meine möblierte On-Location mit alle seinen Facetten ausreize. Böse Zungen behaupten ja, ich bin einfach zu faul um aus dem Haus zu gehen. Tatsächlich reizt es mich mit derselben Location durch „einfache“ Kniffe unterschiedlichste Bildstimmungen und Assoziationen zu transportieren. Da mich die Stimmung urbaner Industrie-Locations sehr reizt, habe ich meine kleine Bibliothek diesmal mit einem Hack in ein Industrieloft verwandelt.

Die Zutaten für diese Bildstrecke mit Saskia: Ein Bilderrahmen (60x80cm), T-Profile, Plexiglasscheiben, Fensterkitt, Farbe, Industriekleber und Standbeine zum Rollen.

Hier gibt es einen kleinen Blick in die Werkstatt

Die Scheiben wurden einzeln mit echtem Fensterkitt eingesetzt und vor dem endgültigen Aushärten gestrichen (Altweiß), damit die Farbe beim Rücklauf an einigen Stellen aufplatzt. Das Finish für den Rost und Witterungseindruck erfolgte mit brauner Lasur (braune Farbe mit Verdünner gestreckt). Als Ständer dienen die Rollgestelle eines alten Flipcharts, dass ich noch auf dem Dachboden rumstehen hatte.

 

Weiter geht es mit der bezaubernden Saskia

 

Tage am Meer

Ich möchte euch gerne eine Bildstrecke mit Mayté zeigen, die auf der Shootingtour 2021 nach SPO entstanden ist. Weitere Strecken von ihr finden sich auch in Ausgabe 10 meines FineArt-Magazins „BORIS BETHGE“. Ich arbeite sehr gerne mit Newcomern und Newfaces. Ich weiß es aber auch sehr zu schätzen, wenn aus einem Erstshoot eine dauerhafte Zusammenarbeit entsteht und man gemeinsam so aufeinander eingestimmt ist um immer wieder neue Facetten herausarbeiten zu können, oder auch mit neuen Ideen zu experimentieren. Auch Mayté hat da einen festen Platz in meinem Fotografenherz. Kennengelernt haben wir uns 2017 zu einem Shoot bei mir in Ritterhude, zu dem sie eigens aus Berlin angereist ist. Ich habe für diesen Shoot ein Set mit einer großen Wasserwanne nebst verlegter Wasserleitung in meine Bibliothek aufgebaut, um ein surreales Bild aus Traum und Wirklichkeit zu gestalten. Dazu gibt es auch einen kleinen Blog-Beitrag siehe HIER Mittlerweile haben wir unzählige Shoots umgesetzt, waren zusammen auf Tour nach RØme, Lissabon und grad erst SPO. Ihr Kommentar zu den aktuellen Bildstrecken:  Danke für die letzten 5 Jahre […] und jedes Mal überraschen mich die Ergebnisse aufs Neue.