Warum ich bei Auftragsarbeiten an meiner Kunst verzweifelt bin

Ich werde oft gefragt: „Boris, du machst so wundervolle Arbeiten, warum machst du die Fotografie nicht beruflich?“ Die kurze Antwort wäre: „Wenn man sein Hobby zum Beruf macht hat man kein Hobby mehr!“ Ich möchte aber gerne näher darauf eingehen. Disclaimer: Dies gilt selbstverständlich nur für mich und folgt ausschließlich meinem Mindset zu meinen Arbeiten! Damit es nicht gar so langweilig wird habe ich einige Bilder aus der aktuellen Strecke mit Lily beigemischt.

Ich denke man kann, egal in welchem Gebiet, nur dann wirklich gut sein und Erfüllung finden, wenn man einfach Bock auf die Umsetzung hat und seiner Passion folgt.

Ich bin Peoplefotograf. Mich inspirieren die Menschen, oder eben auch nicht. Diese Sicht ist keine Bewertung der Person sondern folgt schlicht meinem ganz persönlichen Mindset. Brennen kann ich nur für ein Projekt bei dem ich zu 100% entscheiden kann mit wem ich zusammen arbeite, was ich umsetze und wie viel Zeit ich investieren möchte, damit mich die Ergebnisse wirklich berühren. Keines dieser drei Komponenten kann ich zufriedenstellend in der Auftragsfotografie verwirklichen.

Sobald man sich entscheidet seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen, sprich seine Existenz daran zu hängen, wird sich unbemerkt ein Schalter im Kopf umgelegt. Ich bin nicht mehr frei in meinen Entscheidungen und muss Kompromisse eingehen. Wie in jedem anderen Job auch. Motivation und Ergebnis hängen untrennbar aneinander. Natürlich gibt es hier nicht nur Schwarz und Weiß sondern sicherlich auch Graustufen!

Ich habe diese Phase im Nebenerwerb selbst durchlebt. Diese Eigendynamik werden einige von euch gut kennen. Man hat mit jemanden geshootet und wundervolle Bilder umgesetzt, weil einfach alles passte. Dann kamen die Anfragen aus deren Freundeskreis, ob ich denn nicht auch mit ihnen solche Bilder machen könnte. Das war die Zeit in der ich Anfragen dieser Art dann aller: „TfP leider nicht, da keine Portefolio-Erweiterung blablabla…“ auf die Pay-Schiene umgeleitet habe. Und ich bin an meiner Kunst verzweifelt!!!

Meine Bilder leben zu 100% von Stimmung und Authentizität. Sie leben von diesem zart gesponnenen Faden von Vertrauen und Empathie, der es den Frauen vor der Kamera überhaupt erst möglich macht sich zu öffnen. Um eine Seite sichtbar zu machen, die sonst nur enge Freunde kennen. Motivation und Stimmung ist aber nicht erzwingbar. Wenn es da keinen Gleichklang gibt, wird es handwerklich sicherlich noch zu einem guten Bild reichen. Meine „Kunden“ fanden ihre Bilder ja meistens toll, aber die Ergebnisse haben mich selten wirklich berührt. Ich war nicht Teil des Bildes. Und ich hatte den Vergleich zu den Arbeiten, die wirklich meins waren und mich getouched haben. Dies war ein schleichender Prozess. Als ich mir dann aber darüber klar war, was da eigentlich abläuft und was ich wirklich wollte, hab ich von jetzt auf gleich das Thema Pay-Shoots ad Acta gelegt. Der Spagat es rational in „Kunst“ und „nur bezahltem Handwerk“ aufzuspalten, hätte mich wahrscheinlich in eine heftige Sinnkriese geführt.

Ich setze seit dem ausschließlich eigene Projekte auf TfP-Basis um und bin mit mir im Reinen. So kann ich meine Energie zu 100% in die Dinge stecken, die mir wirklich wichtig sind. Eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereut habe. Ich hätte mich auch nicht in dieser Form entwickelt. Sicherlich hätte ich neben dem “Brot und Butter Geschäft” auch nicht mehr die Zeit und Motivation anspruchsvolle Projekte umzusetzen, wie z. B. meine Arbeit für und an meinem regelmäßig verlegten FineArt-Magazin. Ein Herzprojekt, was mir unfassbar viel gibt!

Ich behaupte nicht, dass dieser Spagat nicht zu schaffen ist. Wir sind alle unterschiedlich und gehen differenziert damit um. Es ist aber sicherlich sinnvoll zu hinterfragen, ob dieser Spagat gut tut oder die Freude an der Passion kannibalisiert. Da hilft es auf seinen „Bauch“ zu hören: Kunst und/oder „nur“ Handwerk. Zugegeben provokant. Ich Denke aber einige machen sich hier etwas vor. Begehrlichkeiten, wie die Aussicht darauf z. B. die Ausrüstung zu finanzieren, können den Blick verstellen. Unbemerkt wie sich das Mittelmaß einschleicht wenn die Grenzen verschwimmen.

Euch eine gute Zeit

Boris